Offensive in der Ostukraine - Russen geben Separatisten Schützenhilfe

Moskau (dpa) - Dass in der Ostukraine russische Soldaten kämpfen, kann Kremlchef Putin kaum noch leugnen. Wirbel gibt es vor allem um die Gräber getöteter Militärs in Russland. Wird aus dem Einsickern einzelner Soldaten am Ende eine handfeste russische Militärintervention?

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Moskau (dpa) - Dass in der Ostukraine russische Soldaten kämpfen, kann Kremlchef Putin kaum noch leugnen. Wirbel gibt es vor allem um die Gräber getöteter Militärs in Russland. Wird aus dem Einsickern einzelner Soldaten am Ende eine handfeste russische Militärintervention?

Unbeeindruckt von drohenden neuen Sanktionen des Westens geht Russland in der umkämpften Ostukraine weiter in die Offensive. Die am Wochenende vom ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko in Brüssel erneuerten Vorwürfe, in der Ostukraine seien neben russischen Panzern auch Tausende Soldaten im Einsatz, lässt Kremlchef Wladimir Putin weiter unbeantwortet. Stattdessen fordert er die Regierung in Kiew auf, mit den Separatisten endlich über den staatlichen Status im Südosten der Ukraine zu verhandeln.

Soll das Gebiet - wie von Separatisten gefordert - künftig als eigenständiger Staat unter dem historischen Namen Noworossija (Neurussland) fortbestehen? Im russischen Staatsfernsehen lässt Putin das offen: Ein „innerukrainischer Dialog“ solle das klären.

Dass die Aufständischen jetzt aber mehr denn je auf Schützenhilfe aus Russland setzen können, daran gibt es kaum noch Zweifel. Ausdrücklich lobte Putin zuletzt die Kampferfolge der Separatisten bei ihrer auch vom russischen Staatsfernsehen intensiv begleiteten „Offensive“ gegen die ukrainischen Truppen.

Doch erstmals seit Beginn des Ukrainekonflikts formiert sich auch in der russischen Gesellschaft größerer Widerstand gegen den Kreml-Kurs. Selbst das Staatsfernsehen sieht sich gezwungen, am Wochenende über einen brutalen Überfall auf den prominenten Kommunalpolitiker Lew Schlossberg zu berichten. Schlossberg hatte öffentlich gemacht, dass in der Ostukraine gefallene Soldaten in Pskow heimlich beerdigt wurden. Dabei hatte die russische Führung stets bestritten, dass reguläre Kräfte dort im Einsatz seien.

Auch das Komitee der Soldatenmütter hatte zuletzt über verletzte Soldaten berichtet, die nach Kämpfen in der Ostukraine in russischen Krankenhäusern behandelt würden. Die kremlkritische Zeitung „Nowaja Gaseta“ brachte zudem Berichte besorgter und trauernde Mütter und Ehefrauen, die von undurchsichtigen Kampfeinsätzen ihrer Söhne und Männer im Konfliktgebiet berichteten.

Dass Soldaten sich auf Geheiß korrupter Kommandeure für alle möglichen Nebenjobs - von Baueinsätzen bis zu Kämpfen in Konfliktgebieten hergeben -, hat in Russland eine lange Tradition. Der Donezker Separatistenführer Andrej Sachartschenko lobte, dass derzeit 3000 bis 4000 russische Soldaten ihren Jahresurlaub nicht am „Meeresstrand“, sondern lieber an der Seite ihrer ukrainischen Brüder und Schwestern verbrächten.

In einem eindringlichen Appell kritisierte der frühere Vizeregierungschef Boris Nemzow den Einsatz der Soldaten - ohne Erkennungszeichen an den Uniformen - als „illegal“. Der Oppositionspolitiker beschimpfte Putin als „Lügner“.

Regierungskritische Medien berichten seit Tagen von breit angelegter Vertuschung: Wer im Ukrainekonflikt in Gefangenschaft gerate, werde rückwirkend aus den Streitkräften entlassen. Bei Todesfällen würden Sterbeurkunden manipuliert und Krankheiten als Ursache genannt.

„Leider haben Desinformation und Lügen über den Einsatz von Streitkräften unserer Landes eine lange Tradition“, sagt der Chef der liberalen Oppositionspartei Jabloko, Sergej Mitrochin. Zu Sowjetzeiten habe der Kreml heimlich Soldaten etwa in Vietnam und Kambodscha, Syrien und vielen afrikanischen Staaten eingesetzt. Mitrochin fordert Verteidigungsminister Sergej Schoigu in einem offenen Brief auf, alle Todesfälle russischer Militärangehöriger in der Ostukraine aufzuklären.

Dazu dürfte es allerdings kaum kommen. Putin sieht sich seit Monaten starkem Druck vor allem von ultrakonservativen und russisch-orthodoxen Christen ausgesetzt, mehr für die Separatisten zu tun. Dass nun Soldaten anscheinend inoffiziell in der Ostukraine sind, dürfte auch ein Zugeständnis an diese Kräfte sein. Eine Militärintervention hatte der Kremlchef stets abgelehnt.

Russland habe diese Verstärkung geschickt, um ein Scheitern der Noworossija-Bewegung zu verhindern, meint der Moskauer Militärexperte Pawel Felgenhauer. Es sei zwar keine vollwertige Invasion. „Wir sind aber nur einen halben Schritt von einem großangelegten Krieg entfernt“, sagt er. Zu einem großen Blutvergießen könne es kommen, wenn Putin seinen Willen nicht kriege. Sein Ziel machte der Kremlchef auch im Staatsfernsehen indes noch einmal deutlich: erst Waffenruhe und dann Dialog über die Zukunft von Noworossija.