Ostukraine: Knapp 90 Prozent für Abspaltung - EU will schärfere Sanktionen

Brüssel/Kiew (dpa). Einen Tag nach dem umstrittenen Referendum prorussischer Aktivisten über die Abspaltung der ostukrainischen Regionen Donezk und Lugansk beraten die EU-Außenminister über eine Verschärfung der Sanktionen gegen Russland.

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Für die Loslösung der selbst ernannten „Volksrepublik“ Donezk von der Ukraine sprachen sich nach Angaben der Separatisten 89,7 Prozent der Teilnehmer aus. Ein ähnliches Ergebnis wurde auch im benachbarten Lugansk erwartet.

Kremlchef Wladimir Putin will sich erst nach einer Analyse des Ergebnisses zu dem Referendum äußern. Das sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow der Moskauer Zeitung „Kommersant“. Er nahm die prorussischen Separatisten in Schutz, die trotz einer Aufforderung Putins an der Befragung festgehalten hatten. Das militärische Vorgehen der Regierung in Kiew habe ihnen keine andere Wahl gelassen. Die Androhung schärferer Sanktionen der EU und der USA gegen Russland nannte Peskow eine absolute Dummheit.

Die EU-Minister wollen heute in Brüssel über zusätzliche Einreiseverbote und Kontensperrungen entscheiden, sagten Diplomaten. Bisher gelten solche Maßnahmen bereits gegen 48 Personen.

Die Minister wollen auch beschließen, dass künftig nicht nur Personen, sondern auch Organisationen und Unternehmen von Sanktionen getroffen werden können. Ob die Minister von dieser Erweiterung der Kriterien sofort Gebrauch machen, soll erst im Licht des von der EU abgelehnten Referendums in der Ostukraine entschieden werden.

Die Anführer der selbst ernannten „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk sprachen am Sonntagabend von einer überwältigenden Beteiligung und von hoher Zustimmung für eine Eigenständigkeit. Führungsmitglied Denis Puschilin kündigte an, in einem nächsten Schritt wollten die Aktivisten staatliche und militärische Strukturen bilden.

Der „Volksgouverneur“ von Donezk, Pawel Gubarew, sagte dem russischen Staatsfernsehen: „Das Referendum bedeutet uns alles.“ Die Schaffung eines neuen Staatssubjekts sei aber nur der erste Schritt auf dem Weg zur Bildung eines Landes „Neurussland“ auf dem Gebiet der Südostukraine, betonte Gubarew. Er war unlängst aus ukrainischer Haft gegen gefangene Geheimdienstler freigetauscht worden.

Die prowestliche Regierung in Kiew erkennt die Befragung wie die EU und die USA nicht an. „Das ist nichts anderes als eine Informationskampagne, um Verbrechen zu vertuschen“, sagte Präsidialamtschef Sergej Paschinski am Sonntag in Kiew. Das Außenministerium warf Russland vor, die Abstimmung „inspiriert, organisiert und finanziert“ zu haben. Frankreichs Präsident François Hollande nannte das Referendum bei einem Besuch in Aserbaidschan „null und nichtig“.

In der „Volksrepublik Donezk“ betonte Wahlleiter Roman Ljagin: „Die Wahlbeteiligung ist nicht nur hoch, sondern überwältigend.“ Internationale Beobachter waren zu der Abstimmung nicht angereist.

Hingegen betonte die Zentralregierung in Kiew, in weiten Teilen der russisch geprägten Regionen mit mehr als 6,5 Millionen Menschen finde gar keine echte Abstimmung statt. Proukrainische Medien berichteten von massiven Fälschungen. Die Regierungstruppen setzten ihren „Anti-Terror-Einsatz“ rund um die Städte Slawjansk, Kramatorsk und Krasny Liman im Gebiet Donezk fort. Dort seien viele Separatisten getötet worden, behauptete Paschinski.

In Krasnoarmejsk gab es bei einem Militäreinsatz einen Toten und einen Verletzten. Nach Berichten russischer Medien hatten ukrainische Regierungstruppen in einem Wahllokal die Stimmabgabe für das Referendum gestoppt. In einem darauffolgenden Handgemenge fielen mehrere Schüsse.

Nato-Oberbefehlshaber Philip Breedlove forderte Putin zum Abzug seiner Truppen aus dem Grenzgebiet zur Ukraine auf. „Ich erwarte von Russland, an seinen internationalen Zusagen und Verpflichtungen festzuhalten und aufzuhören, gewalttätige und schwer bewaffnete Separatisten zu unterstützen und seine 40 000 Soldaten von den ukrainischen Grenzen abzuziehen“, sagte der US-General der „Bild“-Zeitung (Montag).

Moskau hat in den vergangenen Wochen mehrfach behauptet, dass es einen Teil seiner Truppen aus dem Grenzgebiet abgezogen habe. Die Nato erklärte dagegen, dafür keinen Beweis gefunden zu haben.

Breedlove stellte der Ukraine unter Umständen einen Nato-Beitritt in Aussicht. „Natürlich ist es an der Ukraine zu entscheiden, ob sie sich der Nato anschließen möchte“, sagte der US-General. „Wir zwingen niemanden beizutreten.“

Der Westen setzt auf die Präsidentenwahl am 25. Mai zur Stabilisierung der angespannten Lage in der früheren Sowjetrepublik. Bei einem Treffen in Stralsund hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Staatschef Hollande am Samstag an die Konfliktparteien in der Ukraine appelliert, in einen „nationalen Dialog“ einzutreten und freie Wahlen zu ermöglichen.