Fragen und Antworten Parteien locken mit Erwerbskonto

Berlin (dpa) - Alle vier Jahre fängt das Spiel von vorne an: Die Parteien überbieten sich mit Ideen, was sie nach der Wahl für Erwerbstätige, Steuerzahler und Rentner tun wollen.

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SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat jetzt eine Idee seiner Arbeitsministerin Andrea Nahles für seinen in Berlin präsentierten „Zukunftsplan“ für ein modernes Deutschland neu verpackt: Ein vom Staat mit bis zu 20 000 Euro gefülltes persönliches „Chancenkonto“ für alle, um davon Weiterbildung, Existenzgründung und Auszeiten zu finanzieren. Aber auch die Union schläft bei dem Thema nicht.

Wer kann ein Erwerbskonto bekommen?

Jeder Erwachsene über 18 mit festem Wohnsitz in Deutschland, schlägt die SPD vor. Aber auch Bürger ausländischer Herkunft sollen nicht leer ausgehen. Sind sie schon lange im Land und verfügen über ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht, sollen sie ebenfalls das Konto erhalten.

Wie viel Geld soll auf dem „Chancenkonto“ der SPD sein?

Den Sozialdemokraten schwebt zum Start ein Guthaben von 5000 Euro vor. Langfristig sollte es auf 15 000 bis 20 000 Euro anwachsen. Schwachpunkt des Vorschlags ist, dass die SPD nicht sagt, wie teuer das für die Steuerzahler wird und wer das finanziert. Es gibt Ideen, Geld, das der Staat aus einer höheren Erbschaftsteuer kassieren könnte, für die Erwerbskonten zu verwenden. Der FDP-Wirtschaftsexperte Michael Theurer sagte dazu der dpa: „Der Zukunftsplan von Martin Schulz hat wenig mit Zukunft, aber viel mit Planwirtschaft zu tun.“ Ziehe man Kinder und Rentner ab, könnten um die 50 Millionen Bürger das Chancenkonto erhalten - bei 5000 Euro Startguthaben wären das rechnerisch 250 Milliarden an Kosten.

Konkurriert so ein Erwerbskonto mit anderen Sozialleistungen?

Nein. Das neue Instrument soll bestehende staatliche Leistungen nicht ersetzen oder zu Doppelstrukturen führen. Während des Bezugs von Arbeitslosengeld oder Hartz IV (Grundsicherung) würde das „Chancenkonto“ eingefroren. Auch soll darauf geachtet werden, dass Arbeitgeber ihre freiwilligen Weiterbildungsangebote nicht zurückschrauben, nur weil der Staat mit dem Konto für jedermann auf dem Markt ist.

Wer ein Erwerbskonto hat, kann auch noch Bafög bekommen?

Ja, so ist es geplant. Die Förderungen von Studenten und Auszubildenden über Bafög und Aufstiegs-Bafög soll durch das neue Instrument nicht berührt werden.

Wann könnte so etwas eingeführt werden?

Unklar. Zunächst müsste das nach der Wahl in den Koalitionsverhandlungen zwischen den beteiligten Parteien geklärt werden. Im Haus von Ministerin Nahles wird an Vorschlägen gearbeitet. Auch der Industrieländer-Club OECD treibt das Modell voran und wirbt dafür, jeden Arbeitnehmer zu ermutigen, seine Erwerbsbiografie persönlich zu gestalten.

Was spricht für ein persönliches Erwerbskonto?

Es soll jeden Arbeitnehmer motivieren, sich Zeit für Weiterbildung zu nehmen, den eigenen Lebenslauf zu stärken, um auf dem digitalen Arbeitsmarkt überleben zu können. Angesprochen werden sollen vor allem junge Leute, die ihre Startchancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern sollen.

Hat das Modell auch einen sozialen Aspekt?

Soziologen und Arbeitsmarktexperten hoffen, dass mit staatlich unterstützen Erwerbskonten die Chancengleichheit steigt. Berufseinsteiger aus ärmeren und bildungsfernen Haushalten haben schlechtere Bedingungen als Kinder aus wohlhabenden Familien, wo die Eltern auch mal „irgendwas mit Medien“ oder ein Alibi-Studium finanzieren, selbst wenn das am Ende nichts wird.

Was wollen die anderen Parteien?

Die Union will nach der Wahl Familienzeitkonten einführen. Mit angesparter Zeit sollen Familien die Chance auf Elternzeit, Weiterbildung oder Sabbaticals bekommen. „Das Familienzeitkonto hilft Familien in jeder Lebensphase“, sagte die Vorsitzende der Frauen Union, Annette Widmann-Mauz (CDU, dem „Focus“. Die Grünen wollen jedem, der eine gute Firmenidee hat, einmalig ein flexibles und zinsfreies Darlehen von bis zu 25 000 Euro zahlen.

Wäre ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht sinnvoller?

Dieses Modell hat viele Fans, darunter Topmanager wie Siemens-Chef Joe Kaeser oder der Inhaber der dm-Drogeriemarkt-Kette, Götz Werner. Letzterer fordert, jedem Bürger bis zu 1200 Euro monatlich auszuzahlen. Arbeitsministerin Nahles hält davon nichts. Ein Grundeinkommen - unabhängig von Bedürftigkeit und Arbeit - sei keine adäquate Antwort, berge erhebliche ökonomische Risiken, heißt es aus dem Ministerium. Mehr Gerechtigkeit sei fraglich: „In der Konsequenz ist zu befürchten, dass das bedingungslose Grundeinkommen eher zur Spaltung der Gesellschaft führt und insbesondere benachteiligte Menschen zunehmend ausgegrenzt würden.“ Die OECD warnt nach einem 23-Länder-Vergleich, im Schnitt würde ein bedingungsloses Grundeinkommen knapp 50 Prozent unter der Armutsgrenze liegen.