Politik-Experte: Wähler entscheiden sich immer später
Hannover/Düsseldorf (dpa) - Das Ergebnis der Landtagswahl in Niedersachsen zeigt nach Angaben des Politikwissenschafters Ulrich von Alemann, dass sich Wähler immer später entscheiden, wem sie ihre Stimme geben.
„Die Präzision der Umfragen wird immer problematischer, auch weil die Menschen am Telefon nicht so gerne ihre Meinung sagen“, sagte der Politologe der Universität Düsseldorf am Montag der Nachrichtenagentur dpa. Dass nur vier Parteien in den Landtag gekommen seien, wertete er als ungewöhnlich. „Man hatte immer geglaubt, dass Parteiensystem würde immer weiter zersplittern, aber das ist nicht eingetreten.“
In den neuen niedersächsischen Landtag ziehen CDU, SPD, Grüne und FDP ein - Linke und Piratenpartei hingegen verpassten den Einzug. „Die Linke wird wieder zurückgedreht auf eine ostdeutsche Regionalpartei“, sagte von Alemann dazu. Das Experiment der westdeutschen Ausdehnung sei gescheitert, wie auch schon die Wahlen in Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen gezeigt hätten. Um den Einzug in den Bundestag müsse die Partei aber nicht bangen. Die Piraten dagegen hätten keine echte Basis - Protestwähler hätten sich „abgewandt, weil es um den Machtwechsel ging, und das wirkt mobilisierend“.
Für den Bundestagswahlkampf erwartet von Alemann wie in Niedersachsen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Schwarz-Gelb und Rot-Grün. „Da die Grünen so stark geworden sind, gibt es auch weiterhin ein Patt zwischen den beiden großen Lagern.“ Optionen wie eine Ampel-Koalition oder Schwarz-Grün seien daher nicht ganz vom Tisch.
Ein Leihstimmen-Phänomen wie in Niedersachsen bei der FDP hält von Alemann auch im Bund für wahrscheinlich. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) brauche die FDP im Bundestag, um ihre Wunschkoalition Schwarz-Gelb fortzusetzen. „Und die Wähler brauchen ja gar nicht einen Auftrag, ihre Stimme zu leihen. Die können selber nachdenken, und das tun sie auch.“ In Niedersachsen sei dieses Phänomen für die CDU aus dem Ruder gelaufen. „Man hat sich in der CDU einen doppelten Tort angetan: Man hat beträchtliche Stimmen abgeben müssen, und man hat zusätzlich die Regierung verloren. So war das natürlich nicht gedacht“, sagte der Politologe.