Viele Fragen zur Strategie Polizeitaktik: Zu hart, zu weich, überfordert, fehlgeplant?

Berlin (dpa) - Rauchwolken über der Stadt, brennende Autos, eingeworfene Scheiben, Ausschreitungen und eine festsitzende „First Lady“: Die Szenen rund um die Anti-G20-Proteste überschatten den Gipfel der großen Wirtschaftsmächte.

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Die Geschehnisse werfen Fragen auf zur Polizeitaktik und zur Sicherheitsstrategie.

Hat die Polizei die Kontrolle verloren?

Dieser Eindruck entsteht angesichts der Bilder aus Hamburg. Dass Autonome randalierend durch die Straßen ziehen, dass die Frau des US-Präsidenten, Melania Trump, stundenlang ihre Unterkunft nicht verlassen durfte und das Partnerprogramm beim Gipfel aus Sicherheitsgründen geändert wurde, sehen manche als Beleg für eine überforderte Polizei. Die will davon nichts wissen und versichert, mit der Lage fertig zu werden. Auch in Berliner Sicherheitskreisen heißt es, die Geschehnisse kämen keineswegs überraschend und seien im Rahmen dessen, was zu erwarten oder zu befürchten gewesen sei.

Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, meint: „Die Polizei hat die Lage im Griff. Wir sind von bürgerkriegsähnlichen Zuständen weit entfernt.“ In einer großen Stadt wie Hamburg könne die Polizei nicht jede Straße absichern. Es sei generell schwer, mit großen Polizeieinheiten kleine und bewegliche Gruppen von Autonomen zu verfolgen. Dass Autos oder Mülltonnen angezündet würden oder Scheiben zu Bruch gingen, lasse sich da nicht immer verhindern. „Die Bilder sehen dann zum Teil dramatischer aus als es ist.“ Für Chaos in der ganzen Stadt spreche das keineswegs. Auch der Vizechef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek, meint, es sei „nichts aus dem Ruder gelaufen“. Die Ausschreitungen reihten sich ein in vergangene Randale-Aktionen der linken Szene.

Aber warum hat die Polizei dann zusätzliche Kräfte angefordert?

Hintergrund seien die „vielen Straftaten, die parallel passieren“, erklärte ein Polizeisprecher. Von anderer Seite heißt es, viele Polizisten hätten wegen der Ausschreitungen am Abend, in der Nacht und am Morgen kaum oder keinen Schlaf bekommen. Unterstützung sei nötig, um Personal auszutauschen. Die Option auf zusätzliche Kräfte sei im Einsatzplan auch von vornherein vorgesehen gewesen. „Es passiert immer wieder bei solchen Lagen, dass Verstärkung nötig ist“, sagt der Polizeiexperte Wolfgang Petri. Ungewöhnlich sei das nicht. Petri war selbst 22 Jahre lang Polizist, 16 davon bei Mobilen Einsatzkommandos, und er hat viele Großeinsätze mitgemacht. Er meint aber auch, die Polizei hätte von Anfang an etwas mehr Personal einplanen sollen. „Der Kräftebedarf wurde zu gering angesetzt.“

Hat die Polizei mit unnötiger Härte die Eskalation erst provoziert?

Dieser Vorwurf kommt von Aktivisten und Gipfelgegnern, aber auch von Politikern der Linken und der Grünen. Sie beklagen, die Polizei habe am Donnerstag die bis dahin friedliche Demonstration „Welcome to Hell“ grundlos angegriffen, überreagiert und dazu beigetragen, dass die Stimmung gekippt sei. Der Hamburger Polizeieinsatzleiter Hartmut Dudde ist für hartes Durchgreifen und einen Null-Toleranz-Kurs bekannt. In Sicherheitskreisen heißt es, mit ihm an der Spitze sei von vorneherein klar gewesen, welcher Einsatzstil zu erwarten gewesen sei. Die Polizei weist Vorwürfe der Unverhältnismäßigkeit zurück und erklärt, sie habe keine andere Wahl gehabt - wegen vieler Vermummter und drohender Gefahr. Auch Gewerkschafter Wendt meint: „Die Polizei hat da nichts eskaliert.“ Wer sich vermumme, müsse damit rechnen, dass die Polizei eingreife. „Es glaubt doch auch kein Mensch, dass die Demo friedlich verlaufen wäre, wenn man sie hätte laufen lassen.“

War es ein Fehler, den G20-Gipfel in Hamburg zu veranstalten?

Der Gipfel in Hamburg, im Herzen einer Großstadt, die noch dazu eine enorm starke linke Szene hat - das sehen viele im linken Spektrum als Provokation. Auch in Sicherheitskreisen ist nicht jeder glücklich über die Ortswahl: Im Vergleich zu entlegenen Gipfelorten wie Elmau oder Heiligendamm sei es ungleich schwieriger, die Veranstaltung abzusichern. Ein G20-Treffen, zu dem die Delegationen mit jeweils Hunderten Leuten anreisen, sei aber in kleineren Städten nicht mehr machbar - anders als das G7- oder G8-Format.