Porträt: Die Eiserne Lady ist tot - Bewunderung und Hass
London (dpa) - Sie zerschlug Gewerkschaften und machte Politik mit der Handtasche: Margaret Thatcher prägte als erste weibliche Regierungschefin Europas eine politische Generation. Nach ihrem Tod erntet sie Bewunderung und Hass.
Das Leben der Margaret Thatcher war durch Härte gekennzeichnet. Mit äußerster Konsequenz drückte die „Eiserne Lady“ in Großbritannien Sozial- und Wirtschaftsreformen durch. Ihre Entscheidungen und mehr noch ihr Politikstil prägten als „Thatcherismus“ der 1980er Jahre eine gesamte Ära - weit über die britischen Inseln hinaus. Ihre Entscheidungen haben Einfluss bis in die heutige Politik.
Die Reaktionen nach ihrem Tod am Montag waren entsprechend. Menschen legten Blumen vor ihrem Haus im Londoner Diplomatenviertel Belgravia nieder, in der Downing Street und auf dem Buckingham Palast wehte der Union Jack auf halbmast. Nur der Name eines weiteren britischen Premierministers wurde von Kommentatoren und Zeitgenossen in einem Atemzug mit dem Thatchers genannt: Kriegspremier Winston Churchill.
Thatcher, Tochter eines Kolonialwarenhändlers, stand für wagemutige Außenpolitik. Sie nannte den ANC von Südafrikas damaligem Widerstandskämpfer Nelson Mandela eine „typische terroristische Vereinigung“ und steht im Verdacht, das Regime der Roten Khmer in Kambodscha unterstützt zu haben. Dem chilenischen Diktator Augusto Pinochet gewährte sie Schutz und würdigte seine Leistungen für die Demokratie.
Der Deutschen Einheit stand „Maggie“ stets kritisch gegenüber. „Es ist doch klar: Ihr Deutschen wollt nicht Deutschland in Europa verankern. Ihr wollt den Rest Europas in Deutschland verankern“, sagte sie 1993 in einem „Spiegel“-Interview. Mit US-Präsident Ronald Reagan schritt sie erfolgreich Seit' an Seit' im Kampf gegen die Sowjetunion. Der blutig erkämpfte Sieg gegen Argentinien im Falkland-Krieg gilt als ihr vielleicht größter außenpolitischer Erfolg.
Innenpolitisch stand Thatcher für eine bis dahin nicht gekannte gesellschaftliche Umwälzung in Großbritannien. In ihren elf Jahren in der Downing Street schaffte sie es, den damals „kranken Mann Europas“ wirtschaftlich wieder auf die Beine zu stellen - zumindest kurzfristig. Die Instinktpolitikerin, parteiintern zunächst heftig umstritten, scherte sich wenig um Berater. „Es stört mich nicht, was meine Minister sagen, solange sie tun, was ich ihnen sage“, sagte sie einmal - als erste Frau an der Spitze einer europäischen Regierung war Thatcher auch in Sachen Emanzipation eine Revolution.
Thatchers Politik ist in der Sache bis heute hochgradig umstritten. In einer riesigen Privatisierungswelle koppelte sie Versorger wie British Gas oder die Britische Telecom vom Staat ab - ein Vorbild für viele andere Länder in späteren Jahren. Die Gewerkschaften - in politisch konservativen Kreisen als Hemmschuh für Wachstum betrachtet - stutzte sie brutal und machte sie fast handlungsunfähig.
Sozialleistungen kürzte sie massiv, um die Staatsverschuldung zurückzudrängen. Sozialwohnungen wurden privatisiert. Großbritannien gilt nach Thatcher als eines der am wenigsten regulierten Länder Europas. In den späten 1990er und frühen Jahren des 21. Jahrhunderts versprach das große wirtschaftliche Erfolge. Heute geht Großbritannien wirtschaftlich wieder am Krückstock. Ob der Thatcherismus dies mit zu verantworten oder eher abgemildert hat - die Gelehrten streiten sich. Jedenfalls greift ihr politischer Enkel David Cameron heute wieder zu ähnlichen Mitteln in der Krise - der Thatcherismus lebt auch nach dem Tod seiner Namensgeberin weiter.
Nicht nur deswegen wird Thatchers Politik heute auch als Spaltpilz für Großbritannien betrachtet. Nie zuvor hatte es in England so gewalttätige Protestaktionen gegeben wie unter Thatcher. Nie zuvor war die britische Gesellschaft zwischen Establishment und Working Class so entzweit wie unter der „Eisernen Lady“. Die Premierministerin war eine Reizfigur mit Hang zur Trotzigkeit. Der Satz: „The Lady's not for turning“ (etwa: Die Lady lässt sich nicht verbiegen“) - ausgesprochen auf einem Parteitag ihrer Konservativen - wurde zu ihrem Leitspruch.
Ken Livingstone, früherer Bürgermeister Londons, kann auch nach dem Tod seiner politischen Erzfeindin nicht an sich halten. „Für jedes echte Problem“, das Großbritannien heute habe, sei Thatcher verantwortlich, sagte er nach ihrem Tod dem Sender „Sky News“. Sie habe Millionen von Menschen arbeitslos gemacht. In der Amtszeit von Thatcher schnellte die britische Arbeitslosenquote auf bis zu 12,5 Prozent - ehe sie gegen Ende ihrer Amtszeit wieder sank.
Premierminister David Cameron lobt seine Vorgängerin in den höchsten Tönen. „Sie hat das Land gerettet“, sagt er. Und selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht Thatcher als „überragende Führungspersönlichkeit“. David Hopper, Generalsekretär der Bergleute-Gewerkschaft im nordenglischen Durham, kann dem nicht folgen. Er feierte Thatchers Tod sogar als „großartigen Tag“. „Für die Gewerkschaft konnte es nicht früh genug kommen, und ich bin froh, dass ich sie überlebt habe“, sagte der 70-Jährige und kündigte eine Gegendemonstration der Kohlebergleute an: am Tag von Thatchers Trauerfeier.