Porträt: Jürgen Stark - Deutscher eckt im EZB-Rat an
Frankfurt/Main (dpa) - Jürgen Stark galt als Stabilitäts-Garant im Direktorium der Europäischen Zentralbank (EZB). Zuletzt ging dem Chefvolkswirt die Politik der Notenbank im Kampf gegen die Eurokrise daher wohl immer mehr gegen den Strich.
Unterschiedliche Auffassungen zum Kauf von Staatsanleihen klammer Eurostaaten durch die EZB dürften letztlich das Band zerrissen haben. Das durfte der EZB-Chefvolkswirt natürlich nicht öffentlich sagen, denn die Debatten im Club der Währungshüter sind geheim, und Indiskretion ziemt sich nicht.
Daran hielt sich der 63 Jahre alte Rheinland-Pfälzer, der seit 2006 im Direktorium der EZB sitzt und dort als Anker deutscher Stabilitätsvorstellungen gilt. Anders als Ex-Bundesbank-Chef Axel Weber, der den Kauf von Staatsanleihen der Schuldenstaaten im Euroraum lautstark öffentlich kritisiert hatte und schließlich das Handtuch werfen musste. Weber kostete sein Vorpreschen womöglich sogar den Posten an der Spitze der EZB, nun stolperte Stark auf seine Art. Auch wenn er seinen Rückzug offiziell mit persönlichen Gründen erklärte.
Der Wirtschaftswissenschaftler mit dem Schnurrbart begann seine Karriere an der Universität Hohenheim, wechselte aber schon 1978 in die Politik. Zunächst arbeitete er im Wirtschaftsministerium, danach im Kanzleramt und von Oktober 1992 an im Finanzministerium.
Als Finanzstaatssekretär zählte er zu den Architekten des Euro-Stabilitätspaktes und war Beauftragter von Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) für Weltwirtschaftsgipfel. Der Pakt wurde später auch von Deutschland verletzt und schließlich aufgeweicht. Das gilt als einer der Ursachen der aktuellen Staatschuldenkrise. Doch da war Stark längt Notenbanker. Erst bei der Bundesbank, deren Vize er von 1998 bis 2006 war, dann bei der Europäischen Zentralbank.
Sein Lieblingsthema nach dem Wechsel in die Geldpolitik: Die Stabilität des Euro. Mit seiner Meinung hielt er nicht hinter dem Berg und forderte die Bundesregierung regelmäßig auf, eine solidere Haushaltspolitik zu betreiben. Besonders mit der Regierung Gerhard Schröder (SPD) ging er als Bundesbank-Vizepräsident immer wieder hart ins Gericht. Kritiker warfen ihm eine „Stabilitäts-Manie“ vor. Die französische Presse nannte ihn „den Mann, der die deutsche Philosophie vom Null-Defizit verkörpert“.
In Finanzkreisen gilt es als sicher, dass Stark im August gemeinsam mit Bundesbank-Chef und Weber-Nachfolger Jens Weidmann gegen die Wiederaufnahme der Staatsanleihenkäufe durch die EZB stimmte. Im Interview mit dem „Handelsblatt“ wollte er sich dazu kürzlich nicht äußern: „Dazu hat EZB-Präsident Jean-Claude Trichet das gesagt, was zu sagen war.“ Er fügte aber auf Nachfrage hinzu: „Bei derart wichtigen Entscheidungen muss jeder mit seinem Gewissen im Reinen sein.“
Ansonsten hatte der CDU-nahe Vater zweier Kinder seine öffentlichen Auftritte in jüngster zeit kräftig zurückgefahren. Zuletzt hatte er sich im Juni als Chefvolkswirt der EZB in einer Rede geäußert - und vor einer Umschuldung Griechenlands gewarnt.
Damals wies er Vorwürfe zurück, diese Position hänge damit zusammen, dass die EZB längst zu einem Gläubiger mit Milliardenlasten geworden ist. Die Risiken seien beherrschbar, sagte Stark: „Zu keinem Zeitpunkt haben oder werden diese Entscheidungen die Handlungsfähigkeit oder die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank infrage stellen.“ Doch seinerzeit kaufte die Notenbank nur Papiere der relativ kleinen Länder Griechenland, Portugal und Irland. Inzwischen geht es um Italien und Spanien, und da will Stark wohl nicht mehr mitmachen.