Porträt: Kretschmann - grün und wertkonservativ
Stuttgart (dpa) - Er hat das Amt nie gezielt angestrebt. Nun aber ist Winfried Kretschmann der erste grüne Ministerpräsident in Deutschland. Noch am Abend des Wahlsieges vom 27. März sicherte er zu: „Wir werden den versprochenen Weg in die Bürgergesellschaft gehen.“
Im Wahlkampf hatte der 62-Jährige mit seiner bescheidenen Art gerne den früheren Ministerpräsidenten Erwin Teufel (CDU) zitiert: „Das Amt muss zum Manne kommen und nicht der Mann zum Amt.“ Mit seiner wertkonservativen Grundhaltung entspricht der Lehrer für Ethik, Biologie und Chemie so gar nicht dem typischen Grünen-Bild. Meist tritt er im dunklen Anzug auf, trägt eine randlose Brille und einen markanten Bürstenhaarschnitt. Gerade mit seinem bedächtigen, ernsthaften Wesen hat der langjährige Oppositionspolitiker auch in konservativen ländlichen Regionen Vertrauen gewonnen.
In der kürzlich erschienen Biografie der Journalisten Brigitte Henkel-Waidhofer und Peter Henkel wurde er als „knorriger katholischer Ex-Kommunist vom Land“ und als „(wert-)konservativer Super-Realo“ beschrieben. Kretschmann ist gläubiger Katholik - wozu passt, dass er am Donnerstag bei seiner Vereidigung im Landtag als Ministerpräsident den Zusatz „so wahr mir Gott helfe“ sprach.
Seit 36 Jahren ist Kretschmann mit einer Grundschullehrerin verheiratet. Die beiden haben drei erwachsene Kinder - zwei Söhne und eine Tochter. Er geht in der Freizeit gerne mit seiner Frau auf der Schwäbischen Alb wandern, wo er „jeden Felsen kennt“. Im kleinen Ort Laiz bei Sigmaringen wohnt er in einem ehemaligen Bauernhaus, gehört dem Kirchenchor und dem Schützenverein an.
Kretschmann war schon Mitglied der ersten Grünen- Abgeordnetengruppe, die 1980 in den baden-württembergischen Landtag einzog. In seiner studentischen Sturm- und Drangzeit hatte er sich auch mal in maoistische Gruppen verirrt, sie aber wegen ihrer autoritären Grundhaltung bald wieder verlassen. „Vom Linksextremismus bin ich geheilt“, sagte er kürzlich mit Blick auf die Linkspartei.