Porträt: Richter Götzl hat den NSU-Prozess im Griff
München (dpa) - Nach holprigem Start führt Richter Götzl den NSU-Prozess überaus souverän. Doch auf Kritik an seiner Verhandlungsführung reagiert er empfindlich.
Wenn Manfred Götzl morgens in den Gerichtssaal kommt, sagt er viermal „Guten Morgen“, mit mildem fränkischen Akzent, in alle Richtungen des Saales. Es wirkt, als wolle der Vorsitzende Richter eine Art Segen erteilen. An manchen Tagen ist das nötig.
Götzls Start in den Münchner Prozess gegen die Neonazi-Terrorzelle NSU ging gründlich schief: Entgegen allen guten Ratschläge hielt er an seinem Konzept für die Verteilung der Journalistenplätze fest, bis ihn das Bundesverfassungsgericht zu einer Neuvergabe zwang. Daraufhin verschob Götzl den Prozessstart.
Auch die ersten Vernehmungen von Angehörigen der NSU-Opfer verlaufen unglücklich. Als die sichtlich aufgewühlte Witwe des ermordeten Habil Kilic Götzls Fragen nicht richtig versteht, mahnt er: „Wenn ich Sie höflich frage, erwarte ich schon auch höfliche Antworten.“
Doch je länger der Prozess dauert, desto souveräner wird der Vorsitzende. Auf unzulässige Fragen der Anwälte reagiert er gern mit einem überlegen-nachsichtigen „Ja, dann formulieren Sie's halt um“. Den Saal hat er im Griff, aufflammenden Streit beruhigt er mit kurzen Unterbrechungen. Mittlerweile ist das nur noch selten nötig.
Vor allem aber zeigt Götzl in seinen Zeugenbefragungen eine Geduld und Hartnäckigkeit, die auch kritischen Nebenklage-Anwälten Respekt abnötigt: „Der Vorsitzende schafft es immer wieder mit seiner stoischen Ruhe, doch etwas aus den Zeugen herauszukitzeln“, sagt etwa der Münchner Anwalt Yavuz Narin.
Den ehemaligen hessischen Verfassungsschützer Andreas T., der beim Kasseler Mord an Halit Yozgaz in dessen Internetcafé saß, lässt Götzl an fünf Terminen in den Zeugenstand kommen. Und auch wenn T. nicht ernsthaft unter Verdacht steht, etwas mit dem Mord zu tun zu haben, so lädt Götzl doch auch T.s Kollegin und den ehemaligen Verfassungsschutz-Chef. Mangelnde Gründlichkeit kann man ihm nicht vorwerfen.
Zwischendurch lässt der 60-jährige Jurist feinen Humor aufblitzen. Etwa, als Nebenklage-Anwälte beantragt hatten, eine Zeugenvernehmung zu verschieben. Als der Zeuge dann dennoch vernommen soll, streikt das Mikrofon. Götzl wendet sich an einen der Anwälte: „Herr Kienzle, haben Sie den Stecker gezogen?“
Äußerst ungehalten reagiert Götzl allerdings, wenn irgendjemand es wagt, seine Verhandlungsführung zu kritisieren. Dann unterbricht er auch an Donnerstagen die Verhandlung noch kurz vor Schluss und verdonnert die heimreisebereiten Beteiligten zum kollektiven Nachsitzen.
Als sich der Verteidiger der Hauptangeklagten Beate Zschäpe, Wolfgang Stahl, einmal Sorgen machte, ob er noch den Zug nach Hause bekommt, herrscht Götzl ihn an: „Ich habe morgen auch Termine und bin um halb fünf aufgestanden.“