Vom Verbündeten zum Widersacher Erdogans - Fethullah Gülen

Berlin/Istanbul (dpa) - Nach dem Kommunalwahlsieg der türkischen Regierungspartei AKP droht Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan unverhohlen seinen Widersachern.

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Vor allem die Hizmet-Bewegung des in die USA emigrierten Predigers Fethullah Gülen hat er im Visier. Gülens Anhänger wollten seine Regierung stürzen, mutmaßt Erdogan.

Wer ist Fethullah Gülen, was ist seine Hizmet-Bewegung?

Der 72-Jährige ist ein international einflussreicher islamischer Prediger. Bis in die 80er Jahre hinein wirkte er als Iman in verschiedenen türkischen Städten. Mit seinen Predigten und Büchern über den Islam, über Bildungs- und Wissenschaftsfragen sowie soziale Gerechtigkeit und den interreligiösen Dialog begeisterte Gülen viele Gläubige. Die daraus entstandene Bewegung Hizmet („der Dienst“) sieht einen ihrer Schwerpunkte in der Verbesserung von Bildungschancen.

Ihre Anhänger gründeten - zunächst in der Türkei, später weltweit - Schulen, Universitäten und Nachhilfeinstitutionen. Auch Krankenhäuser, Hilfswerke, Unternehmerverbände und Medienhäuser zählen zur „Gülen-Bewegung“. Viele Anhänger gibt es in der türkischen Justiz und Polizei. Seit 1999 lebt der gesundheitlich angeschlagene Prediger im US-Staat Pennsylvania. Er emigrierte nach einer Anklage wegen staatsgefährdender Umtriebe, die später mit einem Freispruch ad acta gelegt wurde.

Warum hat Gülen solchen Zulauf?

Selbst Kritiker, die die Hizmet-Bewegung in die Nähe einer Sekte rücken, bescheinigen Gülen Charisma und Geschick im Umgang mit Menschen. Politiker wollte er nach eigenen Worten nie sein. Seine Autorität und sein Einfluss basieren auf dem Wirken als Prediger, Gelehrter und Dichter. Seine Lehren sind womöglich auch deshalb populär, weil sie pragmatisch sind: Gülen bejaht die säkulare Gesellschaft, animiert zur Mitgestaltung und befürwortet wirtschaftlichen Erfolg. Ein Schlüssel dazu sei Bildung. Berühmt ist seine Losung, statt Moscheen müssten mehr Schulen gebaut werden.

Eine direkte Befehlskette von Gülen bis hin zu seinen schätzungsweise Millionen Anhängern weltweit ist von außen nicht erkennbar, ebenso wenig eine klare, straffe Organisation. Ihren Nachwuchs „rekrutiert“ die Bewegung vornehmlich über ihre Schulen und ihre oftmals exzellenten Absolventen.

Warum sieht Erdogan in Gülen seinen Hauptfeind?

Lange Jahre waren Hizmet und Erdogans Regierungspartei AKP Verbündete. Zuletzt offenbarten sich jedoch immer mehr Differenzen zwischen Gülen und Erdogan - etwa beim Thema Syrienkrieg, dem Verhältnis zu Israel oder dem Für und Wider von Versöhnungsgesprächen mit der kurdischen PKK. Im Sommer 2013 eskalierte der Streit: Gülen rügte Erdogans Niederschlagung der friedlichen Proteste im Gezi-Park. Erdogan verkündete, dass ein Großteil der Hizmet-Privatschulen, mit denen die Gülen-Bewegung auch viel Geld verdient, bis zum Herbst 2015 geschlossen werden sollen.

Seit Wochen muss sich Erdogan mit Korruptionsvorwürfen herumschlagen. Wie viele Beobachter nimmt auch Erdogan an, dass viele der ermittelnden Staatsanwälte und Polizisten Sympathisanten der Gülen-Bewegung sind. Er reagierte mit Zwangsversetzungen und Amtsenthebungen innerhalb den Behörden. Erdogan wittert ein Komplott mit dem Ziel, ihn zu stürzen - Gülen weist die Verschwörungsvorwürfe empört zurück.