Porträt: Saif al-Islam

Tripolis/Istanbul (dpa) - Saif al-Islam al-Gaddafi (38) ist das sanfte Gesicht des despotischen Gaddafi-Clans. Anders als sein Vater und seine Brüder Hannibal und Al-Saadi fällt er weder durch Skandale noch durch cholerische Ausbrüche auf.

Viel ist in den vergangenen Jahren darüber spekuliert worden, ob sein Aufruf zu Reformen echt ist, oder ob es sich um ein von der Familie Gaddafi inszeniertes Theater handelt, mit dem man das zunehmend unzufriedene Volk bei Laune halten will.

Was an den Auftritten des Gaddafi-Sohnes schockierend wirken mag, ist die Lässigkeit bis hin zum Zynismus, die Saif al-Islam an den Tag legt, wenn er über Folter und Rüstungsgeschäfte spricht - Themen, die von arabischen Politikern sonst meist umschifft werden. Doch im Vergleich zu seinem Vater, dem der frühere ägyptische Präsident Anwar el Sadat den Spitznamen „der Verrückte aus Libyen“ verpasst hatte, wirkt der Absolvent einer Londoner Universität geradezu nüchtern und pragmatisch. Anders als der Vater, dem er nicht ähnlich sieht, tritt er ohne weibliche Leibgarde und farbenprächtige Gewänder auf.

Saif al-Islam will das libysche System schrittweise umbauen. Er will einige Elemente der politischen Theorie seines Vaters über Bord werfen. Er glaubt, dass Libyen eine Verfassung und eine effektive Verwaltung haben sollte. Einmal erklärte er sogar: „Wir in Libyen träumen von Demokratie.“ Welchen Spielraum ihm der Vater lässt, dazu äußert sich der 38-Jährige immer nur sehr vage.

Saif al-Islam - Schwert des Islam - haben Muammar al-Gaddafi und seine zweite Ehefrau Safija ihren Sohn genannt. Durch besonders großen religiösen Eifer ist der „Kronprinz“ aus Tripolis aber bislang nicht aufgefallen. Nur in der Kontroverse um die Mohammed-Karikaturen hatte er Position bezogen und die Muslime zu Protesten gegen die Darstellung ihres Propheten aufgerufen. Die Aufständischen, die sich gegen ihn und seine Familie erhoben haben, sind in seinen Augen radikale Islamisten, die in Libyen einen Gottesstaat errichten wollen.

In einer nächtlichen Ansprache, die er hält, während mitten in Tripolis geschossen wird, versucht er, den Libyern Angst zu machen. Angst vor einem Islamisten-Staat, Angst vor Chaos und Bürgerkrieg. Ob es dem Sohn, der seinem Vater angeblich weniger nahestehen soll als seine exzentrischen Brüder, aber jetzt noch gelingen wird, den Karren für Vater Gaddafi aus dem Dreck zu ziehen, ist fraglich.