Porträt: Wissam al-Hassan
Istanbul/Beirut (dpa) - Der libanesische Geheimdienstmann General Wissam al-Hassan wusste um sein Risiko. Bedroht wurde er immer wieder, auch seine Mitarbeiter waren Ziel von Anschlägen.
Der mächtige Drahtzieher im Sicherheitsapparat des Landes war auch auf seine eigene Sicherheit bedacht: Wenn er durch das Land fuhr, wechselte er gerne die Fahrzeuge. Am Freitag half ihm jedoch alle Vorsicht nichts: Bei einem verheerenden Bombenanschlag in einem belebten christlichen Viertel der Hauptstadt Beirut wurden er und sieben weitere Menschen getötet.
Der 1965 nahe der Stadt Tripoli geborene Sunnit spielte seit Jahren eine wichtige Rolle in der libanesischen Politik - ohne selbst im Rampemlicht zu stehen. Zur Trauerfeier für Wissam al-Hassan kamen am Sonntag Libanesen aus dem ganzen Land in die Hauptstadt Beirut. Die Opposition, der er nahestand, rief den „Tag des Zorns“ aus.
Unter dem früheren Ministerpräsidenten Rafik Hariri, der 2005 bei einem Autobombenanschlag ums Leben kam, war Hassan Sicherheitschef. Bei der schiitischen Hisbollah, die die jetzige Regierung stützt, war er verhasst, soll er doch dem UN-Tribunal zur Untersuchung des Attentats entscheidende Hinweise auf eine Beteiligung der Islamisten geliefert haben.
Nach Recherchen des kanadischen Nachrichtensenders CBC stand Hassan aber auch selbst kurzzeitig unter Verdacht. Am Tag des Anschlags auf Hariri hätte er den Angaben nach eigentlich im Dienst sein sollen. Kurzfristig habe er sich allerdings abgemeldet mit der Begründung, er müsse für eine Prüfung lernen. Stutzig machte die Ermittler dem Bericht zufolge, dass er am Morgen des Anschlags 24 Telefonate geführt habe, anstatt zu lernen.
Hariris Sohn Saad, der nach dem Attentat das politische Erbe seines Vaters antrat, hatte hingegen großes Vertrauen in den Sicherheitsexperten, der fortan beim libanesischen Geheimdienst arbeitete. Politische Gegner kritisierten den engen Kontakt zwischen dem Verwalter geheimer Informationen zu Saads anti-syrischer Bewegung 14. März.
Als Geheimdienstfunktionär wurde Hassan der schiitischen Hisbollah und dem Regime in Syrien erst jüngst wieder lästig: Er soll hinter der Festnahme des früheren pro-syrischen Informationsministers Michel Semaha stehen. Semaha wurde vorgeworfen, Bombenanschläge gegen syrienkritische Libanesen geplant zu haben.
Viele Libanesen sehen deshalb in Hassan eine Art Schutzpatron der Gegner des Assad-Regimes. Sie befürchten, dass Anschläge auf sie jetzt wieder zunehmen werden - wie es zwischen 2004 und 2008 schon einmal war.
Die Familie Al-Hassans lebt indes weit entfernt von der ständigen Bedrohung: Seine Frau und die beiden Kinder waren bis zuletzt in Frankreich.