Psychologin: Mutter von Mohamed-Entführer „ungeheuer mutig“
Berlin (dpa) - Ein Täterhinweis von der eigenen Mutter - wie im Fall Mohamed - ist aus Sicht von Experten etwas Besonderes. Im Interview erklärt Isabella Heuser, Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Berliner Charité, vor welchen Problemen Eltern von Straftätern stehen können.
Frage: Im Fall des entführten Mohamed gab die Mutter des Täters den entscheidenden Hinweis. Wie schwierig ist es für Eltern, das eigene Kind der Polizei auszuliefern?
Antwort: Das ist nicht selbstverständlich - auch wenn es das nach unserem Rechtsempfinden sein sollte. Was sie getan hat, war ungeheuer mutig und ethisch richtig. Wir wissen allerdings nicht, was die Mutter veranlasst hat, ihren Sohn der Polizei preiszugeben.
Frage: Inwiefern geben sich Eltern von Straftätern möglicherweise auch eine Mitschuld?
Antwort: Die allererste Frage, die sich Eltern in so einem Fall stellen, ist: „Was habe ich falsch gemacht?“ Die Eltern zermartern sich in der Regel, wenn so etwas passiert. Es gibt immer noch die Vorstellung, dass alles, was aus dem Kind wird, formbar ist von Eltern und Gesellschaft. Das stimmt so aber nicht. Erstmal ist jeder für sein eigenes Verhalten verantwortlich, auch ein Täter, dem möglicherweise beim Heranwachsen emotional und/oder körperlich Schlimmes zugefügt wurde.
Frage: Wie lange ringen Eltern generell mit sich, bis sie ihr Kind bei der Polizei melden?
Antwort: Ob und wann Eltern ihre Kinder an die Polizei ausliefern, ist persönlichkeitsabhängig und auch kulturell geprägt.
Frage: Im aktuellen Fall hat die Mutter ihren Sohn ja zunächst einmal selbst auf die Tat angesprochen.
Antwort: Mit Sicherheit hat die Mutter nicht das Fahndungsfoto gesehen und sofort zum Hörer gegegriffen. Sie hat ja erstmal ihren Sohn damit konfrontiert. Das kann auch schiefgehen und damit enden, dass die Eltern selbst angegriffen werden. Es gibt auch Eltern, die heimlich zur Polizei gehen - aus Angst vor den eigenen Kindern.
ZUR PERSON: Isabella Heuser ist Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Berliner Charité. Ihre Schwerpunkte sind neben der psychischen Betreuung von Opfern auch Täterprofile und die psychischen Folgen von Misshandlungen.