Rechtskurs der neuen polnischen Regierung stößt auf Protest

Warschau (dpa) - In vielen Familien bricht kurz vor Weihnachten Stress aus. Auch im polnischen Parlament ist es noch einmal hektisch geworden: Die Abgeordneten der regierenden Partei PiS haben in Windeseile ein Gesetz durch das Unterhaus gejagt, das - so Kritiker - das Verfassungsgericht lahmlegen, wenn nicht entmachten soll.

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Viele Bürger sind alarmiert: Wird die nationalkonservative PiS „Polen umbauen“, wie es ihr Vorsitzender Jaroslaw Kaczynski gefordert hat?

Es geht nicht nur um neue Regeln für das höchste Gericht, wie die Forderung nach Zweidrittelmehrheiten. Infrage steht der Respekt vor dem Tribunal. Anne Brasseur, die Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, warnte die polnischen Gesetzgeber vor der Abstimmung vergeblich vor übereilten Schritten, die „weitreichende Einschränkungen der Justizgewalt“ zur Folge hätten.

Für zusätzliche Entrüstung sorgt in Polen die Besetzung von zahlreichen Posten in Behörden, Staatsfirmen, ja sogar im Militär, mit Regierungstreuen. Zwei Wochenenden infolge sind Zehntausende auf die Straße gegangen, um für die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien zu demonstrieren. „Es ist bemerkenswert, dass sich hier innerhalb sehr kurzer Zeit ein massiver gesellschaftlicher Protest formiert hat“, sagte Christian Schmitz, der Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Warschau, der Deutschen Presse-Agentur.

Doch was bedeutet der Rechtsruck an der Spitze für die Position Polens in Europa? Substanziell erst einmal wenig, meint Schmitz. Der PiS-Parteivorsitzende Jaroslaw Kaczynski, der im Hintergrund die Fäden ziehe, sei an Europapolitik nicht so sehr interessiert. „Was den umtreibt, ist die Innenpolitik“, sagt Schmitz. Die Regierung wisse, was sie an den EU-Geldern habe, und auch sicherheitspolitisch wolle sich das Land nicht isolieren.

Nicht zuletzt habe sich über die Jahre ein enges Beziehungsgeflecht zum deutschen Nachbarn entwickelt. Das werde die neue Regierung sicher nicht alles auf Spiel setzen. „Aber man wird selbstbewusster auftreten und seine Interessen offensiver vertreten“, sagt Schmitz.

Derweil wurde der Ton des derzeitigen EU-Ratsvorsitzenden Luxemburg gegenüber der polnischen Regierung schärfer. Außenminister Jean Asselborn nannte den Rechtsruck Anfang der Woche im Südwestrundfunk „furchterregend“, zog Parallelen zu sowjetischen Methoden und drohte offen mit einem Stimmrechtsentzug auf EU-Ebene für das Land.

Polen-Experte Schmitz hält das für wenig hilfreich. „Ich halte jegliche Art von Drohung zum jetzigen Zeitpunkt eher für das falsche Signal. Denn das führt bei der Gefolgschaft der PiS-Regierung zu einer Solidarisierung“, mahnt er. Die Befürchtung lässt sich in etwa so umschreiben: Eine Wir-gegen-sie-Mentalität könnte der PiS noch mehr Anhänger zuspielen.

Kaum merklich scheinen sich die außenpolitischen Prioritäten in Warschau zu verschieben. Zwar hat Ministerpräsidentin Beata Szydlo nach einem kritischen Bericht des „Spiegel“ betont, dass nach einem Termin für ihren Antrittsbesuch in Berlin im nächsten Jahr gesucht werde. Doch sie beeilt sich auch nicht sehr. Derweil spricht sich der „Strippenzieher“ Kaczynski für eine stärkere Zusammenarbeit in der engeren mittelosteuropäischen Nachbarschaft aus.

Bei den Regierungen in Ungarn, der Slowakei und Tschechien hatte das „große Polen“ lange eher als unzuverlässiger Genosse gegolten, der im Zweifel zum „Weimarer Dreieck“ mit Frankreich und Deutschland hielt. Im September war Ex-Ministerpräsidentin Ewa Kopacz aus der ablehnenden Front gegenüber Flüchtlingsquoten ausgeschert. Doch diese Entscheidung wird von der neuen Ministerpräsidentin Szydlo wahrscheinlich zurückgedreht.

Wie stark Polen in sich gespalten ist, zeigte sich vor dem Abstimmungsmarathon im Sejm. In einer Feierstunde gedachten die Abgeordneten in Warschau der Vereidigung des PiS-Gründers Lech Kaczynski als Präsidenten vor zehn Jahren. Er war 2010 beim Flugzeugabsturz von Smolensk ums Leben gekommen. Die liberale Bürgerplattform (PO) schlug vor, auch an die Vereidigung des ersten frei gewählten Staatspräsidenten, Lech Walesa, vor 25 Jahren zu erinnern. Die Antwort der PiS kam prompt: „Lebenden baut man keine Denkmäler.“