Keine leichte Aufgabe Renzi-Nachfolger Gentiloni vor enormen Aufgaben

Rom (dpa) - Italien hat schon kürzere Regierungskrisen erlebt. Aber auch längere. Staatspräsident Sergio Mattarella hat viel daran gesetzt, das Polit-Chaos nicht noch größer werden zu lassen. Zu prekär ist die wirtschaftliche Lage des hoch verschuldeten Landes, zu angespannt die internationale.

Nur wenige Tage nach der herben Schlappe von Ministerpräsident Matteo Renzi beim Referendum und dessen Rücktritt präsentiert Mattarella am Sonntag eine Lösung: Der bisherige Außenminister Paolo Gentiloni soll eine neue Regierung bilden und die Zügel bis zu den nächsten Wahlen in der Hand halten.

Es ist keine leichte Aufgabe: Das wirtschaftlich schwer angeschlagene Land steht auf der Schwelle zu einer größeren Bankenkrise. Italien braucht ein neues Wahlgesetz. Im Zentrum des Landes stehen die Menschen noch immer vor den Trümmern ihrer Existenzen und warten auf den Wiederaufbau nach den verheerenden Erdbeben im Sommer und im Herbst. Auch der Druck der Flüchtlingsbewegungen lastet weiter auf dem Land.

Eines der Ziele im Quirinalspalast dürfte gewesen sein, einen Nachfolger Renzis noch vor der Öffnung der Börsen am Montag zu präsentieren. Ein Hauch politischer Stabilität im Land könnte die Märkte besänftigen und den Krisenkandidaten Nummer eins des italienischen Bankensektors zumindest etwas stabilisieren.

Die Aktie des ältesten Geldhauses der Welt, Monte dei Paschi di Siena (MPS), hatte am Freitag eine Talfahrt an der Börse hingelegt. Die Bank muss innerhalb weniger Wochen einen Rettungsplan erfüllen. Sie braucht dringend frisches Geld. Scheitert die Kapitalaufnahme, könnte die Bank um direkte Staatshilfe bitten. Und kaum einer der italienischen Kommentatoren rechnet noch mit einer privaten Lösung.

Die staatliche Bankenrettung könnte die erste Aufgabe sein, die auf Gentiloni zukommt, sprechen die beiden Parlamentskammern ihm ihr Vertrauen aus, was als gesetzt gilt. Der Politikwissenschaftler - bekannt für seine ab und an schief sitzende Brille und sein buschiges graues Haar - kann zwar keine Expertise in Wirtschaftsfragen ausweisen. Aber seine Unerfahrenheit in auswärtigen Angelegenheiten hinderte ihn auch nicht daran, im Kabinett Renzi den kompetenten Außenminister zu geben. „Er ist ruhig, aber er ist kein Schwächling, er ist nicht penetrant, sondern solide“, beschrieb ihn 2014 Freund und Parteikollege Ermete Realacci.

Mit dem 62-Jährigen folgt auf Renzi ein enger Verbündeter und Parteikollege, was am Ende den Ausschlag dafür gegeben haben könnte, dass die Wahl nicht auf den parteilosen Ökonomen und bisherigen Finanzminister Pier Carlo Padoan gefallen ist.

In Europa dürfte die Entscheidung Mattarellas mit Wohlwollen gesehen werden. Gentiloni - der neben Englisch und Französisch laut Außenministerium auch Deutsch spricht - ist Pro-Europäer wie Renzi und auf dem internationalen Parkett kein Unbekannter mehr. Es wird erwartet, dass er den politischen Kurs seines Vorgängers fortsetzen, gleichzeitig aber einen anderen Führungsstil an den Tag legen wird: Gentiloni tritt weitaus besonnener und ruhiger auf als der Ex-Premier. Der polterte immer wieder gegen Brüssel und ließ die internationalen Partner auch mal auflaufen.

Als „Kopie“ und „Avatar“ Renzis wird Gentiloni dagegen von den Oppositionsparteien - der eurokritischen Fünf-Sterne-Bewegung und der ausländerfeindlichen Lega Nord - beschimpft. Einigen ist er schlicht zu blass. Aber womöglich gelingt es nur einem ruhigen, selbstbeherrschten Politiker wie Gentiloni, die sozialdemokratische Partei PD, die zerstrittenen politischen Lager und das gespaltene Land nach dem Referendum ein Stück weit zu versöhnen.

Von langer Dauer wird die neue Regierung ohnehin nicht sein. Fast alle Parteien fordern rasche Neuwahlen. Die größte Hürde dafür ist noch das Wahlgesetz. Gentiloni müsste es mit seinem Kabinett so verändern, dass es sowohl für Abgeordnetenhaus als Senat gültig ist. Dann könnte es bereits vor dem Ende der Legislaturperiode 2018 im kommenden Frühjahr oder Sommer Wahlen geben.

Am Ende einer turbulenten Woche nach dem Referendum räumt Renzi nun sein Büro. Er ist überzeugt, das Richtige getan zu haben. „Ich bin zurückgetreten. Ernsthaft. (...) Ich habe es gesagt und getan“, schreibt der Ex-Regierungschef auf Facebook.