Report: Eine Million für die Freiheit

New York (dpa) - Der Justizangestellte blieb erschrocken stehen, als er die Menschenschlange sah. Hunderte Reporter warteten auf dem Flur des State Supreme Court in New York, geduldig und munter plaudernd, mit Kameras, Mikrofonen, Fotoausrüstung und Schreibblöcken.

„Und das alles“, murmelt er fassungslos, „für einen einzigen Menschen“. Tatsächlich nur einer, aber einst einer der mächtigsten der Welt. Dominique Strauss-Kahn hat am Donnerstag einen neuen Versuch unternommen, bis zu seiner Verhandlung in Freiheit warten zu können. Dafür will der Ex-Chef des Internationalen Währungsfonds nicht weniger als eine Million Dollar (700 000 Euro) hinterlegen.

Als der Franzose vorgefahren wurde, war er noch ein Häftling. Bislang bestand sein Leben aus teuren Restaurants, edlen Hotels, Limousinen aus deutscher Produktion und Erste-Klasse-Sesseln in Flugzeugen. In einem Flugzeug wurde er am Samstag festgenommen, weil er zuvor in seiner 3000-Dollar-Suite ein Zimmermädchen angegriffen haben sollt. Er habe ihr Anal- und Oralsex aufzwingen wollen, sagte die 32-Jährige am Mittwoch vor der Grand Jury aus, die letztlich über die Eröffnung eines Prozesses zu entscheiden hat.

Seitdem ist für die Frau und auch für „DSK“ nichts mehr, wie es war. Sie hält sich mit Hilfe der Polizei versteckt, er kam in eine Einzelzelle auf Rikers Island, einer Gefängnisinsel im New Yorker East River, zusammen mit 14 000 anderen Häftlingen - Untersuchungsgefangene, aber auch Mörder, Räuber, Schläger. Statt edler Anzüge steckte der Franzose in einem Blaumann aus Spezialstoff, der sich nicht in Streifen reißen lässt. So soll verhindert werden, dass ein lebensmüder Häftling sich eine Schlinge knotet. Standardprozedur auf Rikers Island.

Trotz allem soll der Franzose wohlauf sein. „Es geht ihm gut. Er ist optimistisch und gesund“, sagte William Taylor, einer seiner Anwälte. Und: „Er ist unschuldig. Wir sind guter Hoffnung, ihn heute, morgen oder spätestens in der nächsten Woche freizubekommen“, sagte er dem französischen Radiosender RTL. Ein von einer New Yorker Zeitung veröffentlichtes Foto zeigt aber einen unrasierten, völlig übermüdeten Strauss-Kahn in seiner Zelle. Optimistisch sieht anders aus.

Der Flur vor dem Verhandlungssaal war schon Stunden vor der Anhörung voll. Vor allem Französisch war immer wieder zu hören, schließlich sollte „DSK“ im nächsten Jahr für die Sozialisten Präsident Frankreichs werden.

Am Eingang des Gerichtssaals im 13. Stock hängt die Terminliste mit mehr als drei Dutzend Namen, alles Kautionsverfahren für den Tag. Der Name Dominique Strauss-Kahn ist nicht darunter - der Franzose wurde offenbar dazwischengeschoben. Eine Entscheidung, ob er in Freiheit - vermutlich mit einer elektronischen Fußfessel im Haus seiner Tochter - auf die weiteren Verhandlungen warten darf, soll noch am Donnerstag fallen.