Report: „Tsunami hat Friedensprozess beschleunigt“

Bangkok/Banda Aceh (dpa) - Inmitten der Tsunami-Katastrophe vor zehn Jahren, als ganze Orte durch die Wassermassen davongerissen worden waren, hatten viele Hilfsorganisationen ein ehrgeiziges Ziel: Sie wollten etwas Besseres aufbauen.

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So entstanden rund um den Indischen Ozean Mustersiedlungen mit verstärkten Wänden, Kläranlagen und schönen Wegen. Deutsche Spendengelder halfen auch, eine gute Schule mit Meditationsunterricht in Thailand und ein Friedensdorf in Indonesiens Aceh zu errichten.

Die Provinz Aceh war, ehe die Tsunami-Wellen heranrollten, durch einen Jahrzehnte langen Konflikt zerrissen. Unabhängigkeitskämpfer des Free Aceh Movement (GAM) fochten gegen die Regierung. Die Bevölkerung zwischen den Fronten litt. „Wir waren Rebellen für die Gerechtigkeit“, meint der ehemalige GAM-Kämpfer Idris. Heute pflanzt er Palmen an und wohnt in einem schmucken kleinen Reihenhaus im Friedensdorf in Blangpidie, gebaut mit Unterstützung der deutschen Organisation Help - Hilfe zur Selbsthilfe.

50 Häuser stehen dort, alle mit kleiner Veranda und ein paar Pflanzen davor. Überall liegen Kinderfahrräder herum, Wäsche hängt zum trocknen draußen. Die Bewohner sind zur Hälfte ehemalige Kämpfer, zur anderen lokale Bewohner - deren alte Häuser oft von genau diesen Kämpfern niedergebrannt wurden. „Nach dem Tsunami aber halfen wir allen, noch mit der Waffe in der Hand“, erinnert sich Idris. „Ohne die Katastrophe wäre der Konflikt sicher noch länger gegangen.“

Achmad Sukarsono von der Menschenrechtsorganisation Habibie Center in Jakarta gibt ihm Recht. „Der Tsunami hat den Friedensprozess beschleunigt“, sagt er. Zwar habe es schon länger Verhandlungen gegeben, doch habe die Katastrophe wie ein Katalysator gewirkt. „Der Tsunami hat viele Ressourcen weggeschwemmt, etwa Lager und Munition der Armee. Und die GAM-Kämpfer verloren ihre Marihuana-Plantagen auf den Inseln, mit denen sie den Konflikt finanzierten.“ Da sei Frieden eine Option für beide Seiten gewesen.

Auch Samsuardi ist ein ehemaliger Kämpfer; nun betreibt er eine kleine Mittagsküche im Friedensdorf. „Jetzt arbeiten wir zusammen und helfen uns gegenseitig“, sagt der 35-Jährige, während er in seinem Wohnzimmer auf dem Boden sitzt. Über ihm hängt ein Foto von ihm als Guerilla-Kämpfer mit Waffe - doch darunter, viel mehr Platz einnehmend, stehen die Plüschtiere seiner Tochter im Regal.

Die Fünfjährige wird bald in die Schule des Dorfes gehen, einen penibel sauberen Flachbau mit Topfblumen und Basketballfeld. „Das war alles Sumpfgebiet hier, das mussten wir erstmal mit Rohren entwässern“, erzählt Friedhelm Simon, der Help-Projektkoordinator des Ortes. Genauso schwierig sei auch die Eingliederung mancher Kinder gewesen, meint Schulleiter Isa. „Viele waren durch den Konflikt gar nicht mehr gewohnt, in die Schule zu gehen.“ Neben Mathe und Sprachen will er den Kindern auch „Liebe für den Frieden“ vermitteln.

In Südthailand steht die Yaowawit-Schule - ebenfalls eine deutsche Initiative. Wie eine Oase taucht das Internat mit seinen roten Häuschen im grünen Dschungel auf. Darin lernen gut 100 Schüler, von drei bis etwa 13 Jahren. „Dies ist meine Heimat“, sagt Yu (15), ein schüchternes Mädchen mit krausen Haaren. Yu überlebte den Tsunami in einem Küstendorf weiter nördlich, ihre Familie verlor aber alles. An Schulbesuch war nicht mehr zu denken. Dann kam Yaowawit und bot dem Mädchen eine Chance.

Seitdem lernt sie fleißig. „Ich will nämlich Stewardess werden“, sagt sie. Englisch ist ihr Lieblingsfach. Für sie wie alle anderen Schüler ist Yaowawit das Ticket in eine bessere Zukunft. „Die Kinder kommen aus ärmsten Verhältnissen“, sagt Stiftungsleiterin Kanyaphak Bunkaeo. Philipp Graf von Hardenberg war direkt nach dem Tsunami privat in Thailand, eilte zur Hilfe in die Region, sah das Elend und packte an. Seine Vision: eine Schule für Kinder aus hart getroffenen Familien.

Die Schule hat eine Bio-Farm, die die Kinder mit bestellen dürfen und ein Gästehaus mit Restaurant, wo die Älteren bei der Bewirtung helfen. Freiwillige aus Europa unterrichten Englisch, es wird viel gemalt und musiziert. Selbst die Kleinsten wagen sich vor, wenn Besucher da sind: „Hello, what is your name?“

„Wir fördern kreatives Denken und Selbstbewusstsein“, sagt Hardenberg - keine Selbstverständlichkeit in Thailand, wo Frontalunterricht mit Auswendiglernen angesagt ist. „Anfangs wollen die Kinder neue Sandalen, nach einer Weile wünschen sie sich Computer“, sagt er. Die Klassen sind klein, gearbeitet wird auch im Freien, je nach Thema. Danach ist Spaß angesagt, zum Beispiel im hauseigenen Swimmingpool. Der Tag beginnt und endet mit Mediation. 100 Kinder sitzen dann im Schneidersitz 20 Minuten ganz still, mit geschlossenen Augen auf dem Boden. Nur die ganz Kleinen blinzeln manchmal heimlich.