Report: Türkei droht Syrien mit harten Konsequenzen
Istanbul (dpa) - „Krieg an der Grenze“, titelt die türkische Zeitung „Günes“. Seit syrische Truppen bei der Verfolgung von Regimegegnern auch über die Grenze Richtung Türkei geschossen haben, wächst in Ankara spürbar die Nervosität.
Der syrische Angriff verstärkt die Forderungen in der Türkei nach Errichtung einer sogenannten Pufferzone auf der syrischen Seite der Grenze. Damit könnten türkische Militärs Regimegegner schützen. Doch zugleich will es sich Ankara nicht mit dem mächtigen Nachbarn Iran verderben.
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan erklärt während einer Auslandsreise von Peking aus, die Schüsse syrischer Truppen in ein Flüchtlingslager seien eine klare Verletzung der Staatsgrenze seines Landes. Die Türkei werde den Fall untersuchen und künftig mit den notwendigen Maßnahmen reagieren, „so wie andere Staaten auf solche Verletzungen in der Vergangenheit reagiert haben“. Genauer wurde er nicht. Aber die Drohung mit einem türkischen Militäreinsatz zur Einrichtung einer Pufferzone steht im Raum.
Nicht nur wegen der Kämpfe nahe der Grenze zu Syrien hat Ankara in den vergangenen Monaten die Grenztruppen verstärkt. Auch soll ein Eindringen von Kämpfern der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK verhindert werden. Dass das Regime von Präsident Baschar al-Assad die Lage eskalieren lässt, könnte das Fass zum Überlaufen bringen. Nachdem die eigentlich vereinbarte Waffenruhe hinfällig zu sein scheint, werde ein neues Kapitel aufgeschlagen, sagte ein ranghoher türkischer Diplomat.
Und doch betont die Türkei, die über die zweitgrößte Armee des NATO-Bündnisses verfügt, auf den syrischen Angriff hin sei von türkischer Seite kein Feuer erwidert worden. Als zu groß hat die Türkei bisher die Gefahr eines Flächenbrandes erachtet, wie türkische Politiker erklärt haben. Das Verhältnis zum Nachbarland Iran ist wegen gegensätzlicher Meinungen im Syrien-Konflikt bereits angespannt. Die Türkei ist auf Energielieferungen Teherans dringend angewiesen, wenn sie nicht ihrem Wirtschaftsboom den Treibstoff abdrehen will.
Und doch hat die Türkei zwei rote Linien in die Landkarte des Syrien-Konfliktes gezeichnet. Eine große Flüchtlingswelle oder offenkundige Unterstützung Syriens für die PKK könnten Gründe für einen Militäreinsatz zur Einrichtung einer Pufferzone werden, sagte ein türkischer Diplomat Ende März. Dass syrische Truppen einen türkischen Polizeibeamten, einen türkischen Dolmetscher und zwei Syrer in einem türkischen Flüchtlingslager anschießen könnten, schien da noch unwahrscheinlich.
Ankara erwartet, dass sich nach dem Angriff auf das Flüchtlingslager und dem Scheitern der Waffenruhe am Dienstag nun auch in China und Russland das diplomatische Blatt gegen Assad wenden könnte. Die Türkei wolle keinen Militäreinsatz in Syrien, sagte Erdogan in Peking. Nur das Verhalten des syrischen Regimes könne dazu führen.
Schon einmal standen die Länder am Rande eines Krieges, als 1998 der Streit um den später inhaftierten PKK-Chef Abdullah Öcalan und sein Versteck in Syrien eskalierte. Die syrische Führung lenkte in geheimen Verhandlungen ein.
Ungeachtet der türkischen Warnungen ging Syrien am Dienstag in die Offensive. Die Türkei sei selbst Teil des Problems, weil sie bewaffnete syrische Gruppen unterstütze, sagte der syrische Außenminister Walid al-Muallem in Moskau. „Sie geben ihnen Waffen, helfen beim Aufbau von Lagern und unterstützen sie dabei, illegal auf syrisches Gebiet zu gelangen“, sagte er.