Report: Westerwelle begeistert Parteibasis
Nagold (dpa) - Das war mal wieder ein Nachmittag ganz nach dem Geschmack von Guido Westerwelle: Mit frenetischem Applaus wurde der FDP-Chef unmittelbar nach dem Stuttgarter Dreikönigstreffen von den Parteimitgliedern bei einem Besuch des Ortsverbands Nagold gefeiert.
Kein Wort mehr darüber, dass viele hier ihrem Bundeschef noch vor einigen Tagen die Hauptschuld für die schlechten Umfragewerte gegeben haben und ihn am liebsten aus dem Amt gejagt hätten.
Bis zur letzten Minute hatten viele der Nagolder FDP-Mitglieder am Donnerstag vor dem Fernseher gesessen und sich die Rede ihres Parteichefs in Stuttgart angehört. „Mein Mann hat bei uns auf der Couch ständig geklatscht. Dabei hat er letzte Woche noch immer gesagt, der Westerwelle sollte so schnell wie möglich zurücktreten“, erzählt eine 62-Jährige.
Vielen im Ortsverband scheint es ähnlich gegangen zu sein. Mit seiner kämpferischen Rede beim Dreikönigstreffen der Liberalen hat Westerwelle den Nerv der Parteibasis in der 22 000-Einwohner-Stadt am Rande des Schwarzwalds getroffen. „Das war einfach eine gute Rede“, findet ein 68-Jähriger. „Er hat endlich mal klar gesagt, was wir Liberalen in der Bundesregierung schon alles geschafft haben.“
Eine 28-jährige Frau fügt hinzu: „Natürlich hat Guido Westerwelle in den letzten Monaten auch Fehler gemacht. Aber wir haben mit ihm bei der Bundestagswahl auch ein Rekordergebnis geholt. Das kann man doch nicht einfach vergessen.“
Westerwelle genoss die Stimmung sichtlich: Mit einem breiten Lächeln im Gesicht ließ er sich wieder und wieder mit Parteimitgliedern fotografieren. Kritik an ihm und der FDP gab es nur draußen vor der Stadthalle. Ein paar wenige Demonstranten hatten relativ unbemerkt kleine Plakate entrollt, auf denen sie der FDP eine unsoziale Politik vorwarfen.
Dass der FDP-Chef bei seiner Rede in Nagold im Großen und Ganzen nochmal die gleichen Themen ansprach wie ein paar Stunden zuvor in Stuttgart, tat der Stimmung keinen Abbruch. Mit „Guido, Guido“-Rufen und lautem Applaus wurde Westerwelle 45 Minuten später von der Bühne begleitet. Nur ein junger Mann in der letzten Reihe klatschte nicht: „Wenn wir bei der nächsten Umfrage wieder nur drei oder vier Prozent bekommen, dann ist die Euphorie schnell wieder verflogen.“