Reportage: Sirtaki nach dem Schlusspfiff in Offenbach

Offenbach (dpa) - So sehen keine Verlierer aus: Kurz nach dem Schlusspfiff beim EM-Viertelfinale springen die Griechen in der Grillbar Taverna in Offenbach auf und tanzen Sirtaki, Teller zerscheppern, der Ouzo macht seine Runde.

„Jamas“, prostet man sich gut gelaunt zu - und schwingt die blau-weiß-gestreifte Fahne. „War ja von vorneherein fast sicher, dass die Deutschen gewinnen“, sagt Jannis Cholevas aus Offenbach, seine Tischnachbarin sitzt eingehüllt in die Griechen-Flagge und schaut trotz allem ein wenig enttäuscht.

Würde die Nationalität der Gäste zählen, ginge der Abend wohl eher unentschieden aus. Mal werden griechische Fahnen an den Tischen geschwenkt, mal deutsche. Wirt Sideris Christoforos hatte sein kleines Lokal am zentralen Wilhelmsplatz in der Innenstadt mit fünf Flachbildschirmen in ein kleines EM-Studio verwandelt, nach dem Turnier will er sie versteigern. Hinter den Fernsehern dreht sich der Gyrosspieß, während Sideris einen Blick auf die Gäste, den nächsten auf den TV-Schirm wirft. „Bei uns fehlt der beste Mann, unser griechischer Schweinsteiger, zweite gelbe Karte“, sucht der Wirt nach einer Erklärung.

Gute Laune beim Kicken, Wut im Bauch bei der Politik: Immer wieder entfernt sich das Gespräch zwischen Deutschen und Griechen vom Fußball - vor allem dann, wenn die jubelnde Kanzlerin Angela Merkel zu sehen ist. Dann werden die Griechen ernst: „Es gibt natürlich eine schlechte Stimmung zwischen Griechen und Deutschen wegen der aktuellen EU-Lage“, sagt Jannis. „Aber das überträgt sich nicht auf die Spieler.“

Bei den Fans sieht das wohl anders aus: Der 46-Jährige braucht nur wenige Momente, um nach dem Führungstor der Deutschen auf die EU-Rolle der Deutschen und die Mängel der Integrationspolitik zu sprechen zu kommen. „Weißt Du, wie ich mich fühle, wenn ich mich als Offenbacher im Videoladen wegen meines griechischen Passes rechtfertigen muss?“

Wirt Sideris, in dessen Heimatstadt es die größte Griechen-Dichte in der Bundesrepublik gibt, sieht es mit einem Augenzwinkern: Neben seinen Speisekarten in der Grillbar steht ein kleines Plakat, es zeigt den Kapitän der deutschen Fußball-Nationalmannschaft und einen griechischen Spieler. Unter dem Motto „Denn Wimpel sind doch nichts für gute Freunde“ reicht Philipp Lahm dem Gegner einen Koffer voller Euroscheine - im Gegenzug wird dem Deutschen ein Tablett mit Ouzo angeboten.

Während deutsche Fans im Lokal die Treffer ihrer Mannschaft eher freundlich bejubeln, bricht bei den beiden griechischen Treffern ein wahrer Sturm der Begeisterung los. Es wird getrötet und zugeprostet, Wirt Sideris trägt einen seiner Kellner - standesgemäß im blauen Trikot - auf den Schultern aus dem Restaurant. Selbst als es schon 4:1 für Deutschland steht, bleiben die Griechen fröhlich und entspannt - es gibt erstmal einen Gratis-Ouzo für die deutschen Gäste und Sideris geht eine gewagte Wette ein: „Wenn wir jetzt noch vier Tore schießen, tanze ich nackt Sirtaki auf dem Platz.“

Damianos Tamaroglou ist es an diesem Abend eigentlich egal, wer gewinnt. „Es schlagen zwei Herzen in meiner Brust“„, sagt die 34-Jährige aus Offenbach mit griechischen Wurzeln. „Und heute abend war ich eben für den Außenseiter.“ Im Halbfinale könne sie nun für die Deutschen die Daumen drücken, das sei ja auch etwas Schönes.

Als dann am späten Abend das EM-Aus für die Griechen besiegelt ist, bricht die gute Stimmung keineswegs ab. „Wir feiern trotzdem. Wir sind ein lustiges Volk“, sagt Irin Tachou. Die deutsch- griechischen Beziehungen sieht sie durch das Ergebnis nicht belastet: „Das ist ja nur in der Politik“, sagt sie - und wird von ihren Freundinnen zum Sirtaki gerufen.