Röttgen: Tschernobyl erinnert an Risiko Mensch
Bei der Risikoabschätzung für den Betrieb von Atomkraftwerken gilt es nach Überzeugung von Umweltminister Röttgen nicht nur Gefahren durch Naturgewalten und technisches Versagen abzuschätzen. Ein weiterer Risikofaktor sei der Mensch.
Berlin (dpa) - Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) hat zum 25. Jahrestag der Atomkatastrophe von Tschernobyl auf das Risiko menschlichen Versagens bei der Nutzung der Kernenergie hingewiesen. Anders als die aktuellen Ereignisse in Japan, die durch eine Naturkatastrophe ausgelöst wurden, sei der Atomunfall von Tschernobyl vor allem auf menschliche Fehler zurückzuführen, sagte Röttgen am Dienstag in Berlin. Konstruktions- und Bedienungsfehler hatten zur Kernschmelze und zu einer Explosion im Reaktorkern geführt.
Der Faktor Mensch werde in die derzeit laufende Neubewertung der Sicherheitsmaßnahmen in Deutschland genauso einbezogen wie etwa Erdbeben, Hochwasser, Stromausfall oder Flugzeugabstürze, betonte der für die Sicherheit der Atomkraftwerke zuständige Minister.
„Die erschütternden Bilder von Strahlenopfern, flüchtenden Menschen und verwaisten Wohngebieten haben sich in unser Gedächtnis eingeprägt“, sagte Röttgen mit Blick auf den Super-GAU in Tschernobyl 1986. In Deutschland hatten die Herausforderungen nach der Reaktorkatastrophe zur Gründung des Bundesumweltministerium geführt.
Der Präsident des Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), Wolfram König, betonte bei einer Gedenkveranstaltung im Französischen Dom in Berlin: „Das sogenannte Restrisiko hatte plötzlich einen Namen bekommen: Tschernobyl“. Der Röttgen untergeordnete Strahlenschützer kritisierte indirekt, dass die deutschen Kernkraftwerke vor der Laufzeitverlängerung im Herbst keiner anlagenspezifischen Sicherheitsüberprüfung unterzogen worden sind.
König forderte, in der aktuellen Atomausstiegsdebatte auch die Frage der Endlagerung stärker in den Blick zu nehmen. Nach der erneuten Atomkatastrophe von Fukushima, die anders als Tschernobyl mit einer Freisetzung von Radioaktivität über Monate eher ein Super-GAU in Zeitlupe sei, könne sich womöglich ein „German Erfindergeist“ bei den erneuerbaren Energien durchsetzen, sagte König. Ein führendes Industrieland wie Deutschland könne nun den Beweis antreteten, „dass eine sichere und bezahlbare Energieversorgung mit erneuerbaren Energien möglich ist“.
Die Wahrscheinlichkeit für einen Super-GAU in den weltweit 443 Reaktoren sei zwar gering, aber auch nicht gleich Null, betonte König. Sowohl Tschernobyl als auch Fukushima hätten die Fehlbarkeit des Menschen bei der Beherrschung der Technologie gezeigt, betonte der BfS-Präsident, der auch Mitglied der Grünen ist.
Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) betonte angesichts der beiden Atomkatastrophen, dass Deutschland schrittweise alle 17 noch laufenden Atommeiler stilllegen müsse. „Der endgültige Ausstieg aus der Kernenergie muss spätestens im Jahr 2020 vollzogen sein“, sagte Wowereit in Berlin.