Russische Kampfjets greifen in syrischem Bürgerkrieg ein
Moskau/Washington (dpa) - Schlag auf Schlag kommen die militärischen Schritte des Kremlchefs Wladimir Putin im Syrienkrieg. Erste russische Kampfjets bombardieren in Nahost nach Moskauer Darstellung Positionen der Terrorschergen des Islamischen Staates.
Mit der Erlaubnis des Föderationsrates für eine Intervention in Syrien stellt Putin den Westen vor vollendete Tatsachen. Die USA schauen mit Argwohn zu und müssen sich damit arrangieren.
„Wir wollen in diesem Konflikt natürlich nicht alle Register ziehen“, sagt der russische Präsident. Demonstrativ zurückhaltend wirken Putins Worte bei einer im Staatsfernsehen gezeigten Beratung mit Regierungsvertretern in seiner Vorstadt-Residenz bei Moskau.
Zur selben Zeit fliegen in Syrien bereits die ersten russischen Bomben. Ausschließlich am Kampf gegen Terrorgruppen sollten sich die russischen Jets beteiligen, betont Putin. Der Westen befürchtet, dass dabei auch die Kräfte der gemäßigten Opposition zu Schaden kommen könnten. Das syrische Regime bezeichnet die vom Westen geförderten Rebellen wie den IS auch als „Terroristen“.
„Unsere Unterstützung kommt nur aus der Luft, ohne Beteiligung von Bodentruppen“, betont Oberbefehlshaber Putin. Die russische Bevölkerung sieht das Engagement in Nahost skeptisch - auch vor dem Hintergrund der Ukrainekrise. Tief eingebrannt hat sich zudem die Erinnerung an den Alptraum des Krieges in Afghanistan (1979 bis 1989). Damals starben Tausende sowjetische Soldaten in den afghanischen Bergen.
Dennoch: Nach seiner von Beobachtern als reichlich unkonkret bewerteten Rede bei der UN-Vollversammlung schreitet Putin zur Tat. Beständig hatte er in den vergangenen Wochen mit Forderungen nach einer umfassenden Allianz gegen den IS und Waffenhilfe für seinen Partner Präsident Baschar al-Assad Spekulationen über eine bevorstehende Intervention befeuert.
Für US-Präsident Barack Obama dürfte Moskaus rasches Handeln eine Überraschung sein, auch wenn Washington schon lange klar ist, dass Moskau Damaskus stützen wird. Erst am Montag hatte Obama eine Dreiviertelstunde mit Putin über Syrien beraten. Danach war von Militärabsprachen auf „praktischer, taktischer Ebene“ die Rede. Denn: Auch eine US-geführte Koalition fliegt seit einiger Zeit Luftangriffe in Syrien.
Ein „direkter Draht“ sollte daher eingerichtet werden. „Wir wollen nicht, dass ein Unfall passiert“, erklärte Pentagonsprecher Peter Cook. Wenn Kampfflugzeuge der USA und Russlands über Syrien rauschen, soll vermieden werden, dass heikle Manöver und mangelnde Absprachen die Atommächte aneinandergeraten lassen.
„Russland und die USA haben sich - möglicherweise stillschweigend - geeinigt, sich in Syrien nicht gegenseitig zu stören“, schreibt Fjodor Lukjanow, Herausgeber der russischen Zeitschrift „Russia in Global Affairs“. „Das Ergebnis mag sehr bescheiden sein, aber in diesen Zeiten ist das ein Erfolg“, kommentiert er.
Putin hatte die Luftangriffe der US-Koalition auf die Islamisten mehrfach als ineffektiv abgetan. Zudem wirft er den USA vor, mit eigenmächtigen Handlungen das Völkerrecht zu brechen. Nun schickt Putin selbst Militärjets in den Kampf - auf Bitten Assads, wie Putins Vertrauter Sergej Iwanow mit beschwörender Stimme in die TV-Kameras des Staatsfernsehens spricht.
Von Zusammenarbeit konnte nach den ersten russischen Angriffen keine Rede sein. Stattdessen forderte ein russischer General die USA - vergeblich - auf, ihre Flugzeuge aus Syrien abzuziehen.
Nach langem Rätseln über Putins Absichten und Geschacher bei der UN-Vollversammlung geht Obama vorerst als Verlierer aus dem Kräftemessen mit dem mächtigen Mann im Kreml. Hatte Obama Russland im Ukrainekonflikt im März 2014 noch als „Regionalmacht“ abgestempelt, hat er Putin mit dem Dialog nun aufgewertet und als globalen Player akzeptiert. Obama habe Putin in den „mächtigsten Anführer der Welt“ verwandelt, kommentiert das Revolverblatt „New York Post“.
Doch der Langzeit-Kampf gegen die Terrormiliz IS ist kein Kinderspiel und Putin könnte bald ernüchtert feststellen, worauf er sich eingelassen hat. Von einem „furchtbaren strategischen Fehler“ und vom „Sumpf“ in Syrien spricht Obamas Sicherheitsberater Tony Blinken in der Zeitung „Daily Beast“. Ein anderer Regierungsvertreter sagt: „Wenn er sich in dieses Schlamassel stürzen will, viel Glück.“ Die Amerikaner sprechen aus Erfahrung.