Im Handelskonflikt zwischen den USA und China stehen die Zeichen weiter nicht auf Entspannung - im Gegenteil: Die von Präsident Donald Trump auf den Weg gebrachten US-Zölle gegen China belaufen sich nunmehr sogar auf insgesamt 145 Prozent - und nicht 125 Prozent, wie das Weiße Haus zuvor mitgeteilt hatte.
Das bestätigte ein Mitarbeiter der US-Regierungszentrale in Washington. Bei den früheren Angaben waren bereits eingeführte Zölle in Höhe von 20 Prozent nicht einberechnet, die Trump wegen Chinas Rolle bei der Herstellung der Droge Fentanyl in den vergangenen Monaten erhoben hatte.
EU- und US-Abgaben vorerst auf Eis
Andere Teile des Welthandels bekommen eine Atempause von voraussichtlich 90 Tagen: Sowohl die USA als auch die EU setzen einige Sonderzölle vorerst nicht in Kraft. In einer kurzen Stellungnahme kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an, erst tags zuvor beschlossene Gegenmaßnahmen für knapp drei Monate auf Eis zu legen.
Zuvor hatte US-Präsident Donald Trump nach großen Turbulenzen an den Aktien- und Finanzmärkten überraschend entschieden, vielen Staaten 90 Tage lang eine Pause von bestimmten Zöllen zu gewähren. Dabei geht es um Strafabgaben, die sich am Handelsdefizit der jeweiligen Länder orientieren - ausgenommen ist China.
Die US-Aktienmärkte haben nach dem fulminanten Aufschwung vom Vortag ihre Verluste aber wieder deutlich ausgeweitet. Zuletzt verlor der Dow Jones Industrial 3,3 Prozent, der marktbreite S&P 500 gab um 4,1 Prozent nach, während der techlastige Nasdaq 100 um 4,8 Prozent auf 18.220 Punkte fiel. Der deutsche Leitindex Dax hatte zuvor noch im Plus geschlossen. Bei US-Staatsanleihen bleiben trotz der Zollwende die Turbulenzen groß.
Die spärliche Ankündigung und die Details danach
Trump fährt seit seinem Amtsantritt einen harten handelspolitischen Kurs gegenüber China. Am Mittwoch hatte er auf der Online-Plattform Truth Social angekündigt, die Zölle auf Importe aus China noch weiter auf insgesamt 125 Prozent zu erhöhen, während er gleichzeitig für andere Länder bestimmte Zölle vorübergehend aussetzte. Trump begründete den Schritt damit, dass China den Weltmärkten gegenüber „mangelnden Respekt“ entgegenbringe. Das Weiße Haus gab zunächst nur spärlich Informationen zu dem Schritt heraus.
Erst als die US-Regierungszentrale deutlich später die formale, schriftliche Anordnung zu der Zoll-Erhöhung veröffentlichte, fiel die Lücke bei der Berechnung der China-Zölle auf. Denn aus der Anordnung geht hervor, dass sich Trump bei dem Zoll-Sprung auf 125 Prozent lediglich auf jene Sonderabgaben bezog, die er seit Anfang April als Teil seiner sogenannten wechselseitigen Zölle verhängt hatte. Das sind Sonderabgaben als Reaktion auf Handelsbarrieren in anderen Ländern für Einfuhren aus den USA.
Die erste Runde an Zöllen gegen China
In den Monaten zuvor hatte die Trump-Regierung aber bereits mit anderer Argumentation Zölle gegen China verhängt - und zwar wegen der Rolle des Landes bei der Herstellung der Droge Fentanyl, die im großen Stil in die USA geschmuggelt wird. Trump verkündete mit dieser Begründung bereits Anfang Februar Zölle in Höhe von 10 Prozent auf Einfuhren aus China. In einem zweiten Schritt wurden die dann verdoppelt auf 20 Prozent. Und diese 20 Prozent gelten weiter - müssen also zu den 125 Prozent hinzuaddiert werden.
Das bedeutet eine weitere Verschärfung des Handelskonflikts zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt. Peking hatte als Reaktion auf die US-Zollankündigungen der vergangenen Tage klargemacht, dass es im Zollstreit bereit sei, „bis zum Ende zu kämpfen“. China wirft den USA „Erpressung“ vor.
Die Reaktion und Nicht-Reaktion aus Peking
Am Donnerstag traten die angekündigten chinesischen Vergeltungszölle auf US-Importe offiziell in Kraft. Für Einfuhren aus den USA nach China greifen damit nun Sonderabgaben in Höhe von 84 Prozent. Diesen Schritt hatte Peking allerdings schon vor Trump jüngster Eskalation angekündigt.
Bisher kam aus China noch keine Reaktion auf die abermalige Erhöhung der US-Zölle auf 125 Prozent - auch nicht auf die neue Berechnung mit Gesamtzöllen in Höhe von 145 Prozent.
EU will Verhandlungen eine Chance geben
EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen teilte mit: „Wir haben die Ankündigung von Präsident Trump zur Kenntnis genommen. Wir wollen Verhandlungen eine Chance geben.“ Die EU-Gegenmaßnahmen seien von den Mitgliedstaaten nachdrücklich unterstützt worden, sollen aber für 90 Tage ausgesetzt werden. Eigentlich hätten erste Maßnahmen kommende Woche angewendet werden sollen.
Von der Leyen betonte: „Wenn die Verhandlungen nicht zufriedenstellend verlaufen, werden unsere Gegenmaßnahmen in Kraft treten.“ Zudem liefen Vorbereitungsarbeiten für weitere Gegenmaßnahmen. Alle Optionen lägen auf dem Tisch.
Abgaben auf Jeans, Motorräder und Lebensmittel aus den USA
Die EU-Staaten hatten eigentlich am Mittwoch den Weg für erste Gegenzölle zwischen 10 und 25 Prozent als Reaktion auf die von Trump angeordneten Zölle freigemacht. Ab Mitte April sollten unter anderem Sonderabgaben für Jeans und Motorräder aus den USA greifen.
Weitere Gegenzölle sollten Mitte Mai und Ende des Jahres erhoben werden - was unter anderem Lebensmittel wie Rindfleisch, Geflügel und Zitrusfrüchte wie Orangen und Grapefruits betroffen hätte.
Diese EU-Maßnahmen sind eine Reaktion auf bereits in Kraft getretene US-Zölle auf Stahl- und Aluminium, die - nach allem was bekannt ist - auch weiterhin bestehen bleiben. Die EU hat sie eigenen Angaben zufolge trotzdem zurückgenommen, weil sie sich davon ein 90-tägiges Verhandlungsfenster erhofft. Auch Sonderabgaben auf Autos - unabhängig davon, aus welchem Land sie kommen - sind wohl weiter in Kraft.
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