Das teilweise Einlenken von US-Präsident Donald Trump im internationalen Zollkonflikt sorgt für etwas Erleichterung bei Handelspartnern und für Euphorie an den Börsen. Trump hatte nach großen Turbulenzen an den Aktien- und Finanzmärkten überraschend entschieden, vielen Staaten 90 Tage lang eine Pause von bestimmten Zöllen zu gewähren. Allerdings ging er mit zusätzlicher Härte gegen China vor und erhöhte die Abgaben auf chinesische Einfuhren noch weiter. Sein Hin und Her bei den Zöllen und die daraus folgenden Marktschwankungen rufen viel Kritik hervor - und werfen Fragen nach möglichem Insider-Handel auf.
Was genau hat Trump entschieden?
Trump setzte einige, gerade erst in Kraft getretene Zölle für 90 Tage aus. Während dieses Zeitraums gelte ein gesenkter Zollsatz in Höhe von zehn Prozent für alle betroffenen Länder bis auf China, verkündete er auf der Online-Plattform Truth Social. Damit legte der US-Präsident einen Teil seines erst vor wenigen Tagen verkündeten gewaltigen Zollpakets vorerst auf Eis.
Das Paket bestand aus zwei Stufen: In einem ersten Schritt führte die US-Regierung neue pauschale Zölle in Höhe von zehn Prozent auf Importe aus fast allen Ländern ein - die sollen auch bleiben. Für viele Staaten wurden aber in einem zweiten Schritt je nach Handelsdefizit noch deutlich höhere individuelle Strafabgaben verhängt - und diese werden nun vorerst ausgesetzt.
Während der 90-tägigen Pause soll es Verhandlungen mit den betroffenen Staaten geben. Trump nennt als Ziel, andere Länder mit Hilfe der Zölle dazu zu zwingen, Handelsbarrieren für deren Einfuhren aus den USA abzubauen.
Was ist mit anderen Zöllen?
Bereits zuvor hatte Trump Zölle auf bestimmte Einfuhren wie Autos, Stahl und Aluminium verhängt - unabhängig davon, aus welchem Land sie kommen. Diese Zölle sind nach allem, was bekannt ist, weiter in Kraft. Allerdings lieferte die US-Regierung nur spärliche Informationen zu Trumps unerwarteter Kehrtwende und stiftete mit ihrer Kommunikationspolitik einige Verwirrung.
Was bedeutet die Entscheidung für Deutschland und die EU?
Für Handelspartner aus der Europäischen Union und damit auch für Deutschland werden die jüngst verhängten US-Zölle durch den Schritt halbiert. Mit Trumps großem Zollpaket hatten die USA auf Einfuhren aus der EU ursprünglich Zölle in Höhe von insgesamt 20 Prozent verhängt. Nun gelten - zumindest für 90 Tage - erst einmal 10 Prozent.
Die US-Handelsexpertin Laura von Daniels von der Stiftung Wissenschaft und Politik sagte der Deutschen Presse-Agentur, für die EU und andere Handelspartner sei diese Pause eine gute Nachricht. Doch die 10 Prozent gelten eben weiter - und wohl auch die Auto-Zölle, die insbesondere den deutschen Markt schwer treffen. Weitere Zölle - etwa auf Pharmaprodukte - könnten außerdem folgen. „Für die EU und die neue Bundesregierung heißt das: Die Kuh ist überhaupt noch nicht vom Eis“, betonte von Daniels. Das Gleiche gilt auch für andere Handelspartner.
Wie reagieren die Börsen?
An den Aktienmärkten löste der Schritt dennoch große Erleichterung aus. Trumps Entscheidung katapultierte die US-Börsen nach tagelanger Talfahrt nach oben, am Morgen danach schnellten dann auch die Kurse an den asiatischen Börsen in die Höhe. Der Dow Jones Industrial machte die Kursverluste der vergangenen drei Handelstage innerhalb von Minuten wett und schloss mit einem Plus von 7,87 Prozent bei 40.608,45 Punkten. Für den marktbreiten S&P 500 ging es am Ende um 9,52 Prozent auf 5.456,90 Zähler aufwärts. Der von den großen Technologieaktien dominierte Nasdaq 100 gewann gar 12,02 Prozent auf 19.145,06 Punkte.
In den vergangenen Tagen hatte die Angst, dass die Zölle die US-Wirtschaft abwürgen könnten, die Kurse nach unten gedrückt. Nun frohlockte Trump: „Man sagt, es war der größte Tag in der Finanzgeschichte.“
Wie kam es zu dem Schwenk?
Mit der Einführung der Zölle hatte der Präsident die Talfahrt überhaupt erst ausgelöst. Ökonomen sahen ein erhöhtes Risiko für eine Rezession in den USA. In der Nacht auf Mittwoch zeichnete sich zugleich ab, dass Investoren US-Staatsanleihen abstoßen könnten - eine besorgniserregende Entwicklung für die Zukunft der amerikanischen Staatsfinanzen. Marktbeobachter mutmaßen, dass dies die Zollpause herbeigeführt haben könnte. US-Handelsminister Howard Lutnick bestritt das in einem Interview des Senders CNBC.
Trump selbst sagte zur Begründung für sein überraschendes Umschwenken, „die Leute“ seien etwas unruhig und „ein bisschen ängstlich“ geworden. Es gelte eben: „Man muss flexibel sein.“ Allerdings könnte auch Trumps eigene Nervosität eine Rolle gespielt haben. Börsenkurse sind etwas, was der Republikaner besonders aufmerksam verfolgt und was ihn bewegt. Die Handelsexpertin von Daniels betonte, Trump habe von den Finanzmärkten, aber auch von einzelnen Unternehmern großen Druck bekommen.
US-Regierungsvertreter hatten sich in den vergangenen Tagen noch unnachgiebig gezeigt und betont, dass die Zölle nichts seien, was sich innerhalb von Tagen oder Wochen kippen oder wegverhandeln lasse. Und das Weiße Haus hatte vorherige Spekulationen über eine mögliche Aussetzung des gewaltigen US-Zollpakets noch als „Fake News“ zurückgewiesen. Umso überraschender kam die Wende. Einige Kritiker sprechen nun allerdings auch von Marktmanipulation.
Wie begründet sich der Vorwurf der Marktmanipulation?
Trump sagte zum Timing für seinen Kursschwenk, er habe das Ganze früh am Mittwochmorgen entschieden. Am Nachmittag US-Ostküstenzeit verkündete er den Schritt über Truth Social. Am späten Mittwochmorgen, also wenige Stunden vor seiner Ankündigung, die den Aktienmarkt zurück nach oben schnellen ließ, hatte Trump auf Truth Social noch geschrieben, jetzt sei eine großartige Zeit, zu kaufen. Er unterschrieb den Post mit seinen Initialen DJT. Das ist auch das Börsenkürzel des Trump-Medienunternehmens, das Truth Social betreibt. Die Aktie von Trump Media & Technology beendete den Börsen-Tag mit einem Plus von 21,67 Prozent.
Die Papiere des Autobauers Tesla, der vom Trump-Verbündeten Elon Musk geführt wird, legten um 22,7 Prozent zu. Musk soll sich für eine Aussetzung der hohen Zusatzzölle eingesetzt haben. Auch hier hallt nach, dass Handelsminister Lutnick vor einigen Tagen live im Fernsehen die Bürger dazu aufgerufen hatte, Tesla-Aktien zu kaufen, weil sie nie wieder günstiger sein würden.
Mehrere Demokraten aus dem US-Kongress halten all das für ein abgekartetes Spiel. Der demokratische Senator Adam Schiff schrieb auf der Plattform X, Trumps Hin und Her bei den Zöllen und die Marktschwankungen lieferten „gefährliche Möglichkeiten für Insider-Handel“. Schiff fragte: „Wer in der Regierung wusste vorab von Trumps jüngstem Kurswechsel bei den Zöllen? Hat irgendjemand Aktien gekauft oder verkauft und auf Kosten der Öffentlichkeit profitiert?“ Auch andere Demokraten verlangten Aufklärung dazu.
Ist das der erste Schwenk in Trumps Zollpolitik?
Keineswegs. Trump leitete sehr früh in seiner Amtszeit Zölle gegen die Nachbarstaaten Kanada und Mexiko in die Wege, gewährte dann aber zunächst Aufschub. Als die Zölle schließlich in Kraft traten, folgten einige Ausnahmen. Kurzum: Es ist schwierig, bei Trumps Zollpolitik den Überblick zu behalten. Auch weil manche Zölle auf Länder bezogen sind, andere auf Produktgruppen, und weil es bei fast allen Entscheidungen komplexe Sonderregelungen gibt. Außerdem hat Trump weitere Zölle angekündigt.
„Das ist Chaos“, beklagte der demokratische Minderheitsführer im US-Senat, Chuck Schumer. Trump ändere „die Dinge von Tag zu Tag“. Mit so einer Unberechenbarkeit lasse sich kein Land regieren.
Was ist mit den Zöllen gegen China?
Einen konsequenten Kurs verfolgt Trump dagegen mit Blick auf China. Der Handelskonflikt zwischen den beiden größten Volkswirtschaften spitzt sich dramatisch zu. Während Trump anderen Ländern eine zumindest teilweise Atempause bescherte, erhöhte er den Zollsatz auf Einfuhren aus China mit sofortiger Wirkung noch einmal - von 104 auf 125 Prozent.
Als Antwort auf eine vorherige US-Zollerhöhung in Höhe von 50 Prozent hat Peking am Donnerstag Gegenzölle im gleichen Umfang in Kraft gesetzt - die Sonderzölle auf alle US-Einfuhren betragen damit 84 Prozent. Offen ist, ob Peking seinerseits mit einer weiteren Eskalation auf Trumps jüngsten Vorstoß reagiert.
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