Überraschendes CAS-Urteil Sanktionen gegen 28 Russen aufgehoben
Pyeongchang/Genf (dpa) - Der Internationale Sportgerichtshof CAS hat alle Doping-Sanktionen gegen 28 russische Wintersportler aufgehoben. Elf weitere Sportler bleiben von den Spielen in Pyeongchang ausgeschlossen, ihre lebenslangen Sperren für Olympia sind aber ebenfalls ungültig.
Wie lautet das Urteil des CAS? Wie wurde die Entscheidung begründet?
Der Internationale Sportgerichtshof CAS hat aus Mangel an Beweisen alle Doping-Sanktionen gegen 28 russische Wintersportler aufgehoben. Elf weitere Sportler dürfen nicht zu den Spielen nach Pyeongchang, ihre lebenslangen Olympia-Sperren wurden aber ebenfalls kassiert. Der CAS betonte, dass die Athleten nicht für „unschuldig“ erklärt worden seien, sondern dass die Beweislage seines Erachtens nicht ausreichend sei.
Wer sind die prominentesten Athleten?
Langlauf-Olympiasieger Alexander Legkow, Skeleton-Olympiasieger Alexander Tretjakow und Rodler Albert Demtschenko gehören zu den 28 freigesprochenen Wintersportlern. Sie behalten ihre vor vier Jahren gewonnenen Medaillen, der deutsche Rodler Andi Langenhan bleibt Vierter.
Sind die 28 entlasteten russischen Sportler nun automatisch für die Spiele in Pyeongchang startberechtigt?
Nein. Nach der Suspendierung des russischen Nationalen Olympischen Komitees (ROC) können russische Sportler nur auf IOC-Einladung starten. „Die CAS-Entscheidung bedeutet nicht, dass Athleten aus der Gruppe der 28 zu den Spielen eingeladen werden“, stellte das IOC klar. Wer nicht sanktioniert wurde, bekomme nicht automatisch das Privileg einer Einladung. Auf der vor einer Woche veröffentlichten Einladungsliste stehen derzeit 169 russische Wintersportler.
Worum ging es in der Causa Russland überhaupt?
Das IOC hatte insgesamt 43 russische Wintersportler von künftigen Olympischen Spielen ausgeschlossen, weil die Athleten bei den Heimspielen in Sotschi 2014 von organisierten Manipulationen profitiert haben sollen. 42 der betroffenen Sportler legten vor dem CAS Einspruch ein. Ende Januar waren 39 Russen vom Sportgerichtshof angehört worden, via Videoschalte ebenso Kronzeuge Grigori Rodschenkow - früher Chef des Anti-Doping-Labors Moskau - und der WADA-Chefermittler Richard McLaren. Die Fälle von drei schon zurückgetretenen Biathletinnen werden erst später behandelt.
Worauf stützte sich das Internationale Olympische Komitee bei seinen Entscheidungen?
Grundlage der IOC-Beschlüsse in der Causa Russland waren die Aussagen von Rodschenkow und die Berichte von Sonderermittler McLaren für die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA). Rodschenkow hatte nach seiner Flucht in die USA über das mutmaßliche Betrugssystem bei Olympia in Sotschi berichtet. McLaren sammelte weitere Beweise für ein groß angelegtes Dopingprogramm. Die vom IOC eingesetzte Disziplinarkommission unter Leitung von Denis Oswald sah nach weiteren „forensischen und analytischen Doping- Untersuchungen“ die Beweislast gegen die Russen als erdrückend an. Dem CAS genügte dies jedoch nicht.
Wie ging Russland mit den Vorwürfen um?
Das Staatliche Ermittlungskomitee hielt die IOC-Sicht von Anfang an für widerlegt. Von einem Schuldeingeständnis sind die Russen weit entfernt. Nationalistische Politiker wollen sogar WADA-Funktionäre strafrechtlich verfolgen. Kremlchef Wladimir Putin hatte Whistleblower Rodschenkow als Idiot und Verbrecher bezeichnet. „Man muss ihn ins Gefängnis stecken.“
Wie bewerteten die betroffenen Weltverbände die IOC-Entscheidungen?
Sehr unterschiedlich. Der Ski-Weltverband FIS sperrte sechs russische Langläufer, darunter Topstar Legkow, nach dem IOC-Urteil auch für den Weltcup. Dagegen durften die für Olympia gesperrten Eisschnellläufer und Rodler weiter in den anderen Wettbewerben ihrer Verbände starten.
Der Präsident des Bob- und Schlittenverbandes für Deutschland (BSD), Andreas Trautvetter, sah sich bestätigt. „Diese Entscheidung vom CAS habe ich erwartet, weil die europäische Rechtslage gilt. Da gilt die Unschuldsvermutung, bis man die Schuld nachgewiesen hat. Die Beweise waren von Beginn an nicht ausreichend“, sagte der Vizepräsident des Weltverbandes IBSF und führte einen weiteren Grund an: „Der Hauptankläger Grigori Rodschenkow steht für ein Rechtsverfahren der internationalen Verbände und vor einem europäischen Gericht nicht persönlich zur Verfügung.“
Wie wird Russland bei den Winterspielen nun vertreten sein?
Das NOK Russlands ist nach der IOC-Entscheidung Anfang Dezember für die Winterspiele gesperrt. Allerdings dürfen Sportler unter neutraler Flagge und ohne Hymne starten. Sie werden als „Olympischer Athlet aus Russland“ geführt. Nach eingehender Prüfung hat das IOC 169 russischen Athleten erlaubt, in Südkorea anzutreten. Mehrere Spitzensportler wurden aber überraschend ausgeschlossen. Dies erregte Unmut in Moskau. Eisschnellläuferin Olga Graf - Olympia-Dritte in Sotschi - verzichtet trotz Einladung aus Protest auf einen Start.
Wie sieht es mit einer Teilnahme Russlands bei den Paralympics aus?
Das Internationale Paralympische Komitee (IPC) ist von seinem kompromisslosen Kurs gegen die Russen abgewichen. Nach dem Vorbild des IOC schloss das IPC zwar das Russische Nationale Komitee (RPC) aus, erlaubt aber zumindest ausgewählten Athleten die Teilnahme an den Winter-Paralympics vom 9. bis 18. März. Das IPC rechnet mit 30 bis 35 russischen Startern in Südkorea. Bei den vorigen Winterspielen 2014 in Sotschi waren es noch 69.