Schäuble präsentiert EU Szenario deutscher Grenzkontrollen

Brüssel (dpa) - In der Flüchtlingskrise hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ungewöhnlich deutlich das Szenario umfassender deutscher Grenzkontrollen ins Spiel gebracht.

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Falls Deutschland Schweden bei den Grenzkontrollen folge, „dann ist das nicht ein deutsches Problem, sondern eine enorme Gefährdung Europas“, sagte Schäuble nach Beratungen mit seinen europäischen Amtskollegen.

In Schweden gibt es seit Monatsbeginn Ausweiskontrollen in Bussen, Zügen und auf Fähren, die aus Dänemark kommen. Das skandinavische Land ist sehr stark vom Flüchtlingszustrom betroffen.

Schäuble fordert einen besseren Schutz der EU-Außengrenzen und die Unterstützung von Herkunftsregionen in der Nachbarschaft Europas. „Dafür werden wir sehr viel mehr Geld brauchen.“

Schäuble hatte bereits darauf gedrungen, über die vereinbarte Türkei-Hilfe von drei Milliarden Euro hinaus zusätzliches Geld der Mitgliedstaaten in die Hand zu nehmen. Europa müsse mehr leisten, Deutschland sei dazu bereit. Er plädiere dafür, notfalls eine „Koalition der Willigen“ zu formieren.

Laut EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hätte eine beschränkte Reisefreiheit für Europa gravierende wirtschaftlichen Folgen - bis hin zum Euro. „Ohne Schengen, ohne Freizügigkeit der Arbeitnehmer, ohne Reisefreiheit, von der alle Europäer profitieren können, macht der Euro keinen Sinn“, warnte der Luxemburger.

„Wer Schengen killt, wird im Endeffekt den (EU-)Binnenmarkt zu Grabe getragen haben“, sagte der Christsoziale. Weniger Binnenmarkt bedeute mehr Arbeitslosigkeit. In der Eurozone sind 19 EU-Staaten vereinigt. Der Schengen-Raum für passfreies Reisen hat 26 Mitglieder; darunter sind 22 EU-Staaten.

Die Drei-Milliarden-Hilfe für die Türkei zur besseren Versorgung von syrischen Flüchtlingen ist zum Ärger vieler EU-Staaten immer noch nicht in trockenen Tüchern. „Die Zeit läuft uns davon“, bilanzierte Schäuble.

Italien tritt dafür ein, den gesamten Betrag aus dem EU-Budget zu zahlen, während 2015 vereinbart wurde, dass die Mitgliedstaaten den Löwenanteil stemmen. Juncker meinte, er könne die „erstaunliche italienische Zurückhaltung“ nicht verstehen. Der EU-Veteran nahm in undiplomatischer Weise den italienischen Regierungschef Matteo Renzi ins Visier, der die Kommission „an jeder Straßenecke“ kritisiere.

Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem sagte, zunächst müsse es sehr schnell eine Einigung auf die Türkei-Hilfe geben, die bereits bei einem Gipfeltreffen Ende November 2015 in Aussicht gestellt wurde.

Transportunternehmen könnten laut Juncker durch die aktuellen innereuropäischen Grenzkontrollen jährliche Kosten in Höhe von drei Milliarden Euro entstehen. Den möglichen Verlust erklärte er mit den Wartezeiten an den Grenzen. Jede Stunde kostet nach Angaben von Junckers Behörde rund 55 Euro.

Die möglichen volkswirtschaftlichen Kosten für Ausweiskontrollen an der Grenze zwischen Deutschland und Dänemark beziffert die EU- Behörde unter Berufung auf eine Studie auf 90 Millionen Euro. Die volkswirtschaftlichen Schäden durch Fahrtzeitverlängerungen über die Öresund-Brücke zwischen Dänemark und Schweden könnten demnach 300 Millionen Euro pro Jahr betragen.