Schwarz-gelbe Wahlkämpfer entdecken die Aktionäre

Berlin (dpa) - Es gibt Manager, die verdienen schon vor ihrem ersten Arbeitstag Millionen. Mit einem üppigen Begrüßungsgeld lockt sie der Aufsichtsrat zur Firma. Und wenn sie Mist bauen, werden sie mit goldenem Handschlag und satten Boni vom Hof gejagt.

„Das sind Totengräber der sozialen Marktwirtschaft“, schimpfte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) schon 2009 über Abzocker im Vorstandsrang. Die Schweizer Bürger schieben diesen Exzessen nun einen Riegel vor. Auch in Deutschland kündigen viele Politiker - sechs Monate vor der Bundestagswahl - nun mehr Kontrollrechte für Aktionäre an.

Warum trifft das Schweizer Referendum auch bei uns einen Nerv?

Seit der großen Finanzkrise 2008 schauen Politik und Öffentlichkeit bei Banken und Konzernen genauer hin. Als der Steuerzahler mit einem 480-Milliarden-Rettungspakt die Finanzwelt stützte, spendierten sich viele Manager noch riesige Bonuszahlungen. Die eher nüchtern formulierende Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte damals, bei ihr schwelle da manchmal die Zornesader an. Als Lehre aus der Krise wurden einige Gesetze zur Bankenregulierung beschlossen, doch bei der Vergütung hat fast immer der Aufsichtsrat das letzte Wort.

Was verdienen deutsche Topmanager?

Im Schnitt bekommt ein Vorstand bei einem Dax-Konzern etwa 54 mal so viel wie ein Angestellter, fanden die Aktionärsschützer von der DSW heraus. Spitzenreiter ist VW-Chef Martin Winterkorn, der 2011 rund 17,5 Millionen Euro kassierte. Nach heftiger Kritik reagierte Europas größter Autobauer und begrenzte die Boni etwas. Winterkorn bekam für 2012 „nur“ 14,5 Millionen Euro statt möglicher bis zu 20 Millionen. Der VW-Boss meinte selbst: „Bei allem Erfolg des Konzerns dürfen die Steigerungen nicht ins Uferlose weitergehen.“ Zum Vergleich: Kanzlerin Merkel verdiente zuletzt rund 290 000 Euro brutto im Jahr.

Wieso kommt die schwarz-gelbe Koalition aus der Deckung?

In den Parteizentralen denken die Strategen längst an den 22. September. Bei der Bundestagswahl dürfte das Thema soziale Gerechtigkeit eine entscheidende Rolle spielen, ob Merkel das Kanzleramt verteidigen oder SPD-Herausforderer Peer Steinbrück dort einziehen kann. Union und FDP wollen der Opposition deshalb keine Angriffsfläche bieten - das gilt beim Mindestlohn und nun auch bei den Managergehältern.

Gibt es noch vor der Sommerpause schärfere Gesetze gegen Gehaltsexzesse und für mehr Aktionärsrechte?

Unwahrscheinlich. Die FDP will zwar aktiv werden, doch die Bundesregierung hat schon abgewunken und auf Brüssel verwiesen. Eine europäische Initiative sei besser als ein nationaler Alleingang. Auch wäre ein Gesetz bis zur Sommerpause zeitlich kaum noch machbar. Die EU-Kommission will bis Jahresende Vorschläge machen, wie die Rechte der Aktionäre in der Hauptversammlung verändert werden können, um die Gehälter von Firmenbossen zu deckeln.

Schlagzeilen machen gigantische Bonuszahlungen bei Banken. Was tut die Politik dagegen?

Gerade hat sich die EU auf eine Bonus-Bremse verständigt, die Teil eines umfangreichen Pakets ist, um Europas Banken krisenfester zu machen. Der Bonus darf künftig im Normalfall nicht höher sein als das Grundgehalt. In Ausnahmen können Topleute eine Prämie in doppelter Höhe des Grundgehalts bekommen. Dafür muss bei börsennotierten Instituten die Hauptversammlung Ja sagen. Eine absolute Grenze für Boni ist nicht vorgesehen - je höher das Festgehalt eines Bankers ist, desto höhere Prämien sind also möglich.

Mehr Rechte für Aktionäre hört sich gut an - doch wie ist die Praxis?

Das deutsche Aktienrecht ist eher weich formuliert. Die Gesamtbezüge eines Vorstands sollen „in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben und Leistungen“ sowie zur Lage des Unternehmens stehen sollen. Die Hauptversammlung kann ein Votum über die Vorstandsvergütung abgeben - rechtlich bindend ist es für den Aufsichtsrat aber nicht. Hinzu kommt, dass auf den Hauptversammlungen nicht Kleinanleger mit ein paar Aktien das Sagen haben, sondern große Investoren wie Pensions- oder Hedgefonds.

Welche Rolle spielen die Aufsichtsräte?

In vielen Fällen arbeiten sie geräuschlos und verantwortungsvoll. Kritiker bemängeln aber, dass umstrittene Millionensummen für Vorstände von der Aufsichtsratsspitze in geheimen Kungelrunden (Präsidialausschuss) zwischen Vertretern von Arbeitgebern und Gewerkschaften festgelegt werden. Das sei ein Überbleibsel der alten „Deutschland AG“, als Manager sich gegenseitig Topjobs zuschusterten.

Welche Rolle spielt der „Corporate Governance Kodex“?

Dieses Regelwerk einer unabhängigen Regierungskommission gibt Empfehlungen für gute Unternehmensführung ab. Viele Konzerne orientieren sich längst daran und veröffentlichen auch das Salär ihrer Spitzenleute. Gerade wird diskutiert, ob in den Kodex eine Deckelung der Gehälter aufgenommen wird. Verantwortlich für die Umsetzung wäre aber wohl wieder der Aufsichtsrat.