Schwarz-rotes Finale: „Die Kanonen sind geladen“
Berlin (dpa) - Die CSU lädt die Waffen, die SPD kämpft mit Leidenschaft, CDU-Chefin Merkel bekennt sich zum Kompromiss. Am Mittwoch soll der Koalitionsvertrag stehen. Für alle Beteiligten wird es noch ein harter Weg.
Alexander Dobrindt versetzt die Verhandlungen von Union und SPD jetzt in einen Kriegsschauplatz. Nach Vorlage aller Arbeitspapiere „sind die Kanonen jetzt geladen“, sagt der CSU-Generalsekretär nach der siebten großen Runde zur Bildung einer großen Koalition. „Es kommt nun darauf an, wann wer die Lunte zieht.“
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles ergänzt süffisant, es komme auch darauf an, „auf wen sie gerichtet sind“. Denn nun geht es darum, wer was bekommt - und wofür Milliarden verteilt werden sollen.
Bis Mittwoch soll die große Koalition stehen. Bis dahin müssen aber CDU, CSU und SPD wohl noch abrüsten. Sonst dürfte es schwierig werden mit dem Friedensschluss der so unterschiedlichen Parteien.
Angela Merkel hat öffentlich viel geschwiegen während der Verhandlungen. Die amtierende Kanzlerin hat den Bürgern kaum erklärt, warum Union und SPD solche Probleme haben, die von ihnen laut Umfragen und Wahlergebnis gewünschte große Koalition zu bilden. Sie hat die Parteien öffentlich wenig aufgerüttelt, motiviert oder ermahnt. Nun, auf der Schlussgeraden, auf der für beide Seiten noch unzählige Stolpersteine liegen, ändert sie die Taktik.
„Wir machen es uns nicht einfach“, beschreibt die CDU-Vorsitzende bei einem Führungskräftetreffen der „Süddeutschen Zeitung“ kurz vor der großen Runde, was die Republik seit gut vier Wochen erlebt. Und sie bekennt: „Auch ich werde Sachen zustimmen müssen, die ich von Haus aus nicht für richtig gehalten habe.“
Die Botschaft ist: Alle werden bluten müssen, CDU, CSU und SPD werden eigene Verletzungen für das große Ganze in Kauf nehmen müssen. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagt: „Wenn man mit Leidenschaft Politik macht, wie wir alle, dann geht es auch um was.“ Aber selbst, wenn sich Union und SPD nun zusammenraufen, der SPD- Mitgliederentscheid bleibt das Damoklesschwert über einem Koalitionsvertrag. Deshalb ging es bisher viel um Belange der SPD.
Das wird der Union jetzt zu viel. Es werde ein Koalitionsvertrag für Deutschland und nicht für die SPD-Mitglieder erarbeitet, deren Partei 25,7 Prozent bei der Wahl geholt habe, stellt Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) klar. Auch CDU-Vize Julia Klöckner sagt: „Das Wahlergebnis muss sich widerspiegeln. Das heißt, dass wir noch punkten müssen.“ Die SPD träumt hingegen immer noch von einem Politikwechsel, doch für den sieht die Union überhaupt keinen Grund und verweist eben auf ihren Wahlsieg mit 41,5 Prozent.
Nach außen mag es so scheinen, dass die SPD den Verhandlungen durch die Zwänge des Mitgliedervotums den Stempel aufdrückt. Doch was hat sie bisher erreicht? Ein Mindestlohn mit 8,50 Euro wird kommen. Aber wann? Und wird es Hintertüren geben für ein späteres Absenken im Osten? Bei der Frauenquote wollte die SPD 40 Prozent für Aufsichtsräte, nun soll es ab 2016 eine 30-Prozent-Quote geben. Das wollte die Union ab 2018. Die von der SPD geforderte generelle doppelte Staatsbürgerschaft ist noch völlig offen, die Union kann sich immerhin einen Prüfauftrag vorstellen.
Wenn sich Union und SPD bis Mittwoch einigen sollten, kommt die spannende Frage: Traut SPD-Chef Sigmar Gabriel sich, dies den Mitgliedern zur Abstimmung vorzulegen? Denn ein Nein wäre ziemlich sicher auch das Ende seiner Karriere als SPD-Chef.
Gabriel hat zuletzt vieles richtig gemacht, sich aber auch immer von Etappe zu Etappe gerettet. Den kleinen Parteitag nach der Wahl überzeugte er mit dem Angebot eines Votums der 473 000 Mitglieder über einen Koalitionsvertrag. Dann wurden zehn recht vage Kernforderungen für die Verhandlungen mit CDU/CSU beschlossen. Und beim Bundesparteitag in Leipzig versuchte er, die Stimmung mit einer künftigen Öffnung auch für Rot-Rot-Grün zu kanalisieren. Geschickt hat er zudem die ganze Führung mit in die Pflicht genommen. Alle neun SPD-Ministerpräsidenten verhandeln in der großen Runde mit.
Die Union erwartet von der SPD-Führung, dass sie mit diesem Aufgebot die eigene Basis dann auch davon überzeugt, dass die Partei Verantwortung übernehmen muss. Dobrindt sagt: „Wenn eine Führung der SPD ihre Mitglieder nicht auf ihre Seite bekommt, stellen sich ganz andere Fragen als nach dem Koalitionsvertrag.“ Dann seien alle Optionen wieder offen. Dazu gehören auch Neuwahlen.