Schweiz stürzt mit Franken-Freigabe Börsen in Turbulenzen

Zürich/Frankfurt/Main (dpa) - Die Schweiz hat völlig überraschend die Kopplung ihres Franken an den Euro aufgehoben und damit Turbulenzen an den Finanzmärkten ausgelöst.

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Seit mehr als drei Jahren galt ein Mindestkurs von 1,20 Franken je Euro, der die heimische Währung künstlich billig machen sollte, um Schweizer Exporteuren zu helfen.

Die Entscheidung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) ließ den Aktienmarkt in Zürich einbrechen. Der Franken wurde massiv teurer gehandelt. Die Börsen gingen auch außerhalb der Schweiz auf Achterbahnfahrt. Der Goldpreis legte kräftig zu.

Der Euro fiel zwischenzeitlich auf 1,1575 US-Dollar und damit auf den tiefsten Stand seit November 2003. Die Finanzmärkte wurden vom spektakulären Schritt der Schweizer auf dem falschen Fuß erwischt. Der deutsche Leitindex Dax und andere europäische Börsen knickten kurzfristig ein.

Die Wogen glätteten sich aber kurz darauf wieder. Der Dax sprang schließlich sogar über die psychologische wichtige Marke von 10 000 Punkten. Viele Anleger griffen zum Gold, dessen Preis um etwa 2,7 Prozent auf bis zu 1264 Dollar für die Feinunze stieg. Das ist der höchste Stand seit September 2014.

Analysten fanden drastische Worte, sie sprachen von einem „Schocker“, gar von einer „Kapitulation“ der Notenbank. Auch deren Glaubwürdigkeit wurde in Frage gestellt.

Die Schweizer Wirtschaft verliert mit der Aufgabe des sogenannten Mindestkurses ihren Schutzschirm: Eingeführt hatte die SNB den Mindestkurs in der heißen Phase der Euro-Schuldenkrise. Damals hatten viele Anleger aus dem krisengeschüttelten Währungsraum ihr Geld in der als sicher geltenden Schweiz angelegt. Die darauf folgende deutliche Aufwertung des Franken belastete die exportorientierte Wirtschaft im Land.

SNB-Chef Thomas Jordan rechtfertigte die überraschende Aufgabe des Franken-Mindestkurses. Ein Festhalten an dem Kursziel hätte auf lange Sicht keinen Sinn ergeben. „Der Ausstieg musste überraschend erfolgen“, erklärte er.

Die SNB begründete die jetzige Aufhebung des Mindestkurses auch mit der Abschwächung des Euro gegenüber dem US-Dollar. Gleichzeitig habe der Franken zum Dollar abgewertet. Deswegen sei man zu dem Schluss gekommen, dass die Durchsetzung und Aufrechterhaltung des Euro-Franken-Mindestkurses „nicht mehr gerechtfertigt sei“, hieß es.

Hintergrund ist den Angaben zufolge auch die unterschiedliche Entwicklung der Geldpolitik in den bedeutenden Währungsräumen, hieß es. Während in den USA die erste Zinserhöhung seit der Finanzkrise ansteht, dürfte die Europäische Zentralbank am 22. Januar mit breit angelegten Anleihekäufen eine weitere Lockerung ihrer Geldpolitik beschließen. Das kann den Euro schwächen.

Die SNB hätte dann noch mehr Euro kaufen müssen, um den Franken zu verteidigen. Der jetzige Schritt stärkt die Überzeugung von Analysten, dass die EZB in der kommenden Woche tatsächlich nochmals die Geldschleusen öffnet. Von der EZB gab es keine Reaktion auf den Schritt der Schweizer.

„Die Entscheidung ist für die Finanzmärkte vollkommen überraschend gekommen“, sagte Ulrich Wortberg, Devisenexperte bei der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba). In den vergangenen Wochen hatte der Euro-Franken-Kurs an der Grenze von 1,20 Franken förmlich geklebt.

„Durch die Entscheidung gefährdet die Notenbank jedoch ihre Glaubwürdigkeit, da sie sich immer zu dem Mindestkurs bekannt hatte“, sagte Wortberg. Das Versprechen der SNB war stark: Stets versicherte sie, den Mindestkurs unter allen Umständen zu verteidigen und dazu unbegrenzt Euro anzukaufen.

Die Ausfuhren der Schweiz dürften unter der Entscheidung stark leiden. Nach Einschätzung der Großbank UBS könnten die negativen Folgen für die Exportwirtschaft rund 5 Milliarden Franken oder 0,7 Prozent des Bruttoinlandprodukts betragen. Produkte aus der Schweiz und Urlaub dort werden beispielsweise für Deutsche teurer. Gleichzeitig dürfte es Unternehmen aus Deutschland und der Eurozone leichter fallen, in die Schweiz zu exportieren.

Zugleich senkte die Notenbank ihre Leitzinsen. Mit der Zinssenkung will die SNB die Aufwertung des Franken nach Expertenmeinung eingrenzen, die durch die Aufgabe des Wechselkursziels ausgelöst werde. Der Zins für Bankeinlagen bei der SNB fällt um 0,5 Prozentpunkte auf minus 0,75 Prozent.

Jordan zeigte sich zuversichtlich dass die Zinspolitik der SNB den Auftrieb des Franken bremsen kann: „Der Negativzins wird stark wirken.“ Die Notenbank will auch künftig am Devisenmarkt intervenieren, allerdings nur bei Bedarf. Nach der Kehrtwende geriet der Euro sofort stark unter Druck. Zeitweise fiel er auf das Rekordtief von 0,8517 Franken. Zuletzt erholte sich der Euro wieder etwas und wurde mit ungefähr 1,043 Franken gehandelt.