Seehofer im Wortlaut: „Sie können das alles senden“

Berlin (dpa) - Es schien ein normales Interview zu werden: Nach der Niederlage der CDU bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen steht CSU-Chef Horst Seehofer am Montagabend im ZDF-„heute journal“ Rede und Antwort.

Doch nach dem offiziellen Interview mit Moderator Claus Kleber holt der bayerische Ministerpräsident im Nachgespräch zum Rundumschlag aus. Vor allem CDU-Spitzenkandidat Norbert Röttgen kommt nach seiner Wahlschlappe in NRW bei Seehofer nicht gut weg - die Kritik am dessen Wahlkampf wird zur persönlichen Abrechnung.

RÖTTGENS WAHLNIEDERLAGE

Offizielles Interview: „Ich glaube, wir sollten etwas nicht schönreden, was nicht schön ist. Das ist die bittere Wahrheit. Das war ein Desaster gestern.“

Nachgespräch: „Der Röttgen hat gegen die Frau Kraft mit einem Verhältnis 37 zu 34 begonnen. Und innerhalb von sechs Wochen ist das weggeschmolzen wie ein Eisbecher, der in der Sonne steht. Das ärgert mich.“

RÖTTGENS KANDIDATUR

Offizielles Interview: „Das (Desaster) hatte viele Ursachen in NRW selbst. Zum Beispiel, dass man sich nicht voll für dieses Land entschieden hat. Aber wir müssen Konsequenzen daraus ziehen, auch für unsere Arbeit in Berlin.“

Nachgespräch: „Das war ein ganz großer Fehler. (...) Ja, ich habe mit ihm gesprochen, persönlich und über die „Bild“-Zeitung. Und persönlich hat er mich dann abtropfen lassen. Die Kanzlerin war ja dabei. Im Gegenteil, er hat dann die Medien noch mit dem Argument versorgt, er hätte es uns beiden gezeigt. Und ich habe ihm gesagt: Lieber Herr Röttgen, das ist nicht ihre Privatentscheidung, ob Sie jetzt nach NRW gehen oder nicht. Das trifft die ganze Union. Und wenn Sie das nicht korrigieren, dann wird's uns hart treffen. Und genau so ist es gekommen. Ich hätte ja lieber nicht Recht behalten. (...) Schauen Sie, wer alles aus der Politik davongelaufen ist, obwohl er für vier, fünf Jahre gewählt war. Das hat die Leute schon verstört. Ist übrigens auch ein Grund für die Politikverdrossenheit. Und dann geht ein Kandidat her für das Amt des Ministerpräsidenten und sagt: Ich laufe nicht davon, ich laufe gar nicht hin. Das nehmen die Leute nicht ab.“

LAGE VON SCHWARZ-GELB

Offizielles Interview: „Wir haben gewaltige Projekte. Denken Sie an die Energiewende, wo vieles noch nicht gelöst ist. An den Streit um das Betreuungsgeld innerhalb der Union. Dann das Scheitern des Energieeinspeisegesetzes letzten Freitag im Bundesrat parteiübergreifend mit einer Zweidrittelmehrheit. Das waren alles Dinge, die nicht sehr professionell waren. (...) Das (die Wahlniederlage) war ein gemeinsamer Fehler der ganzen Koalition, CDU, CSU, FDP. Und meine Antwort ist schlicht darauf, dass wir jetzt nicht einfach so tun, als wäre gestern nicht etwas passiert. Sondern wir müssen daraus Konsequenzen ziehen. Ich bin nicht mehr bereit, einfach zur Tagesordnung überzugehen. Wir müssen besser werden, auch in Berlin.“

Nachgespräch: „Wir haben jetzt noch vier Ministerpräsidenten mit FDP-Beteiligung in Deutschland. Wir hatten mal über zehn. Wir sind jetzt in der Minderheit. Wir haben noch sieben Ministerpräsidenten, wenn ich die großen Koalitionen dazutue. Die SPD hat acht. (...) Es zählt dazu jetzt die Europafrage. Das Wachstumspaket in Europa, die Stabilität des Euros, die Inflation, die am Horizont aufscheint, die Verkehrsinvestitionen (...), der Schuldenabbau in Deutschland, Umsetzung des Fiskalpaktes. Dies alles wird doch seit Wochen hin und her und rauf und runter diskutiert. Das muss jetzt ein Ende haben. (...) Wissen Sie, was mir so wehtut - weil ich glaube, dass diese Union und die FDP wirklich ein Potenzial haben in Deutschland, um zu regieren. Und wir machen das einfach nicht so gut, dass wir die Zustimmung auch von der Bevölkerung erhalten. Es tut mir leid.“