Showdown in Athen: Die Linke vor den Toren der Regierung
Athen (dpa) - Erstmals könnte in Athen nach der Wahl eine Linksregierung an die Macht kommen. Die Konservativen wollen bis zum letzten Moment dagegen kämpfen - und die Sozialisten zittern ums politische Überleben.
Historische Wende in Athen? Nach fast fünf Jahren mit bitteren Entbehrungen müssen die Griechen an diesem Sonntag entscheiden, wie es in dem Krisenland weitergehen soll. Bekommt der amtierende konservative Ministerpräsident Antonis Samaras die Chance, seine Politik zu Ende zu führen, oder übernimmt der Vorsitzende des Linksbündnisses (Syriza) Alexis Tsipras künftig das Steuer? Seine Forderungen nach einem Ende des rigiden Sparkurses haben vorab für erhebliche Unruhe vor allem bei den ausländischen Geldgebern gesorgt.
Das Linksbündnis führt in allen Umfragen mit einem Vorsprung von knapp fünf Prozentpunkten vor der Nea Dimokratia (ND) von Regierungschef Samaras. Ein Sieg der Linken gilt daher als so gut wie sicher. Die Frage, die sich viele Beobachter stellen, lautet: Bekommt Tsipras die absolute Mehrheit oder wird der 40-Jährige auf einen Koalitionspartner angewiesen sein - und seine Politik mäßigen müssen? Tsipras gibt sich siegesgewiss: „Wir stehen nur noch einen halben Schritt vor dem Sieg“, sagte er vor der Wahl immer wieder.
Selbst konservative Zeitungen bereiten ihre Leser seit Tagen auf eine Wende vor. In den Blättern ist von einer „historischen Chance für die Linke“ die Rede. Kommentatoren werfen die Frage auf, ob die Linke sie richtig nutzen oder das Land in eine noch tiefere Krise stürzen wird.
Tsipras wirft Samaras politischen „Verrat“ vor. Der Regierungschef habe das Spardiktat aus Brüssel und Berlin ohne Bedenken in die Tat umgesetzt und damit das Volk in die Verelendung geführt. Samaras kontert, Tsipras und seine Partei seien politische „Hooligans“, die eine geheime Agenda hätten und die Mittelklasse auslöschen wollten.
Tsipras verspricht den Griechen Entlastung: Renten sollen erhöht, Privatisierungen gestoppt werden. Entlassene Staatsbedienstete sollen in ihren alten Job zurückkehren. Fast zwölf Milliarden Euro will der charismatische Chef des Linksbündnisses dafür ausgeben.
Sein wichtigstes Ziel aber ist ein Schuldenschnitt, der nach seiner Vorstellung von einer internationalen Konferenz abgesegnet werden soll. Zudem will Tsipras eine Allianz der Südländer Europas schmieden, um der Sparpolitik der Union ein Ende zu bereiten.
Samaras meint hingegen, Frontalzusammenstöße mit der EU könne sich Griechenland nicht leisten. Athen könne sich nicht Geld leihen und dann den Gläubigern sagen: „Ich zahle nicht.“ So gehe man in Europa nicht miteinander um, sagt der konservative Regierungschef immer wieder.
Samaras weiß aber auch, dass die Geduld der Griechen längst überstrapaziert ist. Jeder zweite junge Mensch ist ohne Job. Die Arbeitslosigkeit übersteigt die 25 Prozent. Manche Familien leben allein von der Rente der Oma. Samaras verspricht, dass der Gürtel nicht noch enger geschnallt werden soll. „Weitere Kürzungen von Löhnen und Renten wird es nicht geben“, sagt er. In den kommenden Jahren sollen mehr als 700 000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden.
Die Stimmung in den ärmeren Regionen im Westen der Hauptstadt Athen ist explosiv. Drohungen mit einem „Grexit“, einem Austritt Griechenlands aus dem Euroland, machen diesen Menschen keine Angst mehr. „Die Verelendung erleben wir seit langem“, sagt Mitsos Sarantis, ein seit zwei Jahren arbeitsloser Schuhverkäufer aus der dicht besiedelten Athener Vorstadt Peristeri. Sein Sohn ist bereits ins Golfscheichtum Katar ausgewandert.
Gleich mehrere Parteien in Griechenland kämpfen bei der Wahl am Sonntag um den dritten Platz - und damit die Möglichkeit, zusammen mit dem Wahlgewinner zu regieren. Allen voran die To Potami (Der Fluss) - eine neue pro-europäische Partei der politischen Mitte. Die ehemals allmächtigen Sozialisten müssen sich hingegen anstrengen, die Drei-Prozent-Hürde für den Einzug ins Parlament zu überspringen. Dagegen werden die Kommunisten allen Umfragen zufolge im Parlament vertreten sein. Auch die rassistische und ausländerfeindliche Partei Goldene Morgenröte sehen Demoskopen wieder im neuen Parlament. Mit ihr wollen die anderen Parteien allerdings nichts zu tun haben.