Soziologe: Zusammenhang zwischen Krise und Krawallen
Jena (dpa) - Die Weltwirtschaft steht nach Einschätzung des Soziologen Klaus Dörre vor einem Jahrzehnt großer Turbulenzen. Das auf Wachstum programmierte Wirtschaftsmodell sei in der Krise und durch die Ungleichgewichte im weltweiten Finanzsystem immens, sagte er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.
„Die Staaten müssen aufhören, nur als Brandlöscher zu agieren. Es kommt darauf an, die Finanzmärkte endlich an die Kandare zu nehmen.“ Sonst drohten auch in Deutschland soziale Unruhen wie im 19. Jahrhundert. „Gibt es keinen politischen Willen zu solchen Regularien, dann sind die Ereignisse in Großbritannien keine Ausnahme mehr“, sagte Dörre mit Blick auf die Krawalle in dem Land.
„Das Herunterstufen der Kreditwürdigkeit der USA ist ein Sturm im Zentrum des Weltfinanzsystems“, betonte der Wirtschaftssoziologe von der Universität Jena. Auch wenn sich die Börsen wieder erholen sollten, sei das Problem längst nicht ausgestanden. Er verwies etwa auf enorme Summen überschüssigen Geldes am Markt, das für spekulative Geschäfte bereitstehe. Zudem reiche der Kompromiss im US-Haushaltsstreit nicht aus, um das Schuldenproblem zu lösen. „Die Rettungsanker, die ausgeworfen sind, hängen an porösen Leinen.“
Dörre ist Sprecher des Jenaer Zentrums für interdisziplinäre Gesellschaftsforschung und hat viele Jahre im wissenschaftlichen Beirat der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung mitgearbeitet.
Die Regierungen müssten die Finanzmärkte stärker regulieren. Als Beispiele nannte er ein Verbot hochspekulativer Geschäfte, eine Finanztransaktionssteuer, mehr Transparenz bei den Anlagestrategien von Hedgefonds und eine öffentliche europäische Ratingagentur.