Spannungen im europäischen Bankensystem nehmen zu
Frankfurt/Main (dpa) - Angesichts der ungelösten Schuldenkrise nehmen die Spannungen im europäischen Bankensystem weiter zu. Das Misstrauen der Institute untereinander wächst zusehends, was zu einem großen Bedarf an Liquidität führt.
Darüber hinaus nutzen die Banken immer stärker die Europäische Zentralbank (EZB), um dort überschüssige Liquidität zu parken: Am Mittwoch näherten sich die eintägigen Einlagen der Geschäftsbanken bei der Notenbank der Marke von 300 Milliarden Euro. Die sogenannten „Übernacht-Einlagen“ summierten sich zuletzt auf 297,1 Milliarden Euro.
Sie liegen damit so hoch wie seit Anfang November nicht mehr. Die Schwelle von 300 Milliarden Euro wurde zuletzt im Sommer 2010 im Zuge der ersten Griechenland-Krise überschritten. Auch die eintägigen Ausleihungen der Banken liegen mit derzeit 2,7 Milliarden Euro deutlich über ihrem üblichen Durchschnitt.
Hintergrund ist aktuell das starke Engagement europäischer Banken in Staatsanleihen angezählter Euro-Länder wie Italien. Das hohe Misstrauen der Institute untereinander wird vor allem daran deutlich, dass die Banken vorhandene Liquidität lieber bei der EZB hinterlegen, anstatt es sich gegenseitig zu leihen. Ähnlich wie in der Finanzkrise 2008 ist der sogenannte „Interbankenhandel“, der normalerweise vollkommen reibungslos funktioniert, erneut gestört.
Das große Bedürfnis der Banken nach Liquidität war bereits am Dienstag deutlich geworden. So lieh die EZB in ihrem wöchentlichen Refinanzierungsgeschäft den Instituten so viel Geld wie seit zwei Jahren nicht mehr. Die Summe dieses Hauptgeschäfts, über das die Banken ihren regelmäßigen Bedarf an Liquidität decken, lag bei 265,5 Milliarden Euro. Mit 192 Banken war die Zahl der beteiligten Institute ebenfalls hoch. Die Banken können sich derzeit bei der EZB gegen Sicherheiten so viel Liquidität wie gewünscht besorgen. Diese sogenannte „Vollzuteilung“, die die Notenbank bereits in der Finanzkrise 2008 eingeführt hatte, hat sie in der Schuldenkrise wiederaufleben lassen.
Angesichts der hohen Nachfrage der Banken nach flüssigen Mitteln ist es der EZB am Dienstag auch nicht gelungen, die überschüssige Liquidität infolge ihrer umstrittenen Anleihekäufe wieder aus dem Markt zu nehmen. Die Notenbank kauft seit langem Staatstitel angeschlagener Euro-Länder, zuletzt auch Papiere der großen Sorgenkinder Italien und Spanien. Diese Käufe belaufen sich mittlerweile auf über 200 Milliarden Euro. Normalerweise schöpft die Notenbank die dadurch geschaffene Liquidität wöchentlich ab, um möglichen inflationären Entwicklungen vorzubeugen. Am Dienstag ist ihr dies erstmals seit längerem nicht ganz gelungen.