Generationswechsel in Sachsen Stanislaw Tillich gibt nach Wahlschlappe auf
Dresden (dpa) - Eine größere Regierungsumbildung war nach der Schlappe der CDU bei der Bundestagswahl in Sachsen erwartet worden.
Doch was Ministerpräsident Stanislaw Tillich dreieinhalb Wochen nach dem Desaster in der Wappengalerie der Staatskanzlei in Dresden verkündet, ist ein unerwartet schwerer Paukenschlag: Sein Rücktritt als Regierungs- und CDU-Landeschef trifft den Freistaat und die sächsische Union völlig unvorbereitet.
Gefasst und vergleichsweise gelassen, zählt der dienstälteste Ministerpräsident zunächst die Erfolge auf, die Sachsen in 27 Jahren CDU-Regierung aufzuweisen habe. „Aus einer Wirtschaft mit Massenarbeitslosigkeit wurde eine der innovativsten Regionen Deutschlands.“ Er erinnert an den Bund-Länder-Finanzausgleich, an die Jahrhundertflut und andere Naturkatastrophen: „Wir sehen fürsorgliche Familien und erleben Engagement und Solidarität.“
Letztere mochte das bis dato treue sächsische Wahlvolk bei der Bundestagswahl mit seiner CDU aber nicht mehr aufbringen. Massenweise liefen Wähler zur AfD über und sorgten dafür, dass die Rechtspopulisten in Sachsen ihr bundesweit bestes Ergebnis erzielten und stärkste Kraft wurden - vor Tillichs CDU. 4 der 16 Direktmandate, bis dato alle in CDU-Hand, gingen verloren. Das Unmögliche passierte, die Partei ist geschockt - anderthalb Jahre vor der Landtagswahl.
Vielleicht etwas zu schnell fordert Tillich danach einen Rechtsschwenk und einen schärferen Ton in der Asyl- und Einwanderungspolitik - dabei stehen weite Teile der Sachsen-Union gerade in diesen Fragen eigentlich bereits der CSU in Bayern näher als dem Kurs der Parteivorsitzenden und Kanzlerin Angela Merkel.
Amtsvorvorgänger Kurt Biedenkopf macht es Tillich nicht leichter und bezweifelt per Zeitungsinterview und in wohl altersbedingter Selbstherrlichkeit dessen Befähigung zum Amt. Auf Rückhalt aus den eigenen Reihen muss Tillich lange warten. Lediglich Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) springt ihm zur Seite und bezeichnet die Worte von „König Kurt“ als „völlig daneben“.
Es sind die zehn sächsischen Landräte - allesamt „CDU-Fürsten“ - die den Druck schließlich verschärfen und von Tillich weitergehende Konsequenzen fordern. Und die hat er nun gezogen: „Ich bin davon überzeugt: Für eine gute Zukunft Sachsens sind auch neue Antworten wichtig. (...) Deshalb habe ich mich entschlossen, die Verantwortung in jüngere Hände zu übergeben.“
Die sächsische CDU-Spitze wirkt vom angekündigten Abgang ihres Parteichefs und Ministerpräsidenten völlig überrascht. „Wir waren natürlich alle erstmal geschockt und sprachlos“, sagt CDU-Fraktionschef Frank Kupfer in die Kameras. Doch Tillich habe Größe gezeigt und Verantwortung übernommen.
De Maizière sagt, dass Tillich diesen Schritt nicht hätte gehen müssen. „Es hätte auch einen Weg gegeben mit einer großen Kabinettsumbildung unter seiner Führung, einen neuen Anfang zu machen.“ Doch Tillich habe sich anders entschieden und das verdiene „allergrößten“ Respekt. Landtagspräsident Matthias Rößler erwartet nun schwere Zeiten für die CDU, bleibt aber optimistisch.
Richten soll es nach dem Willen Tillichs nun Michael Kretschmer. Der 42-Jährige ist seit 12 Jahren CDU-Generalsekretär in Sachsen. Er wird schon lange als Kronprinz gehandelt und ist derzeit ohne Mandat, nachdem er bei der Bundestagswahl im Kreis Görlitz seinem AfD-Herausforderer unterlag.
Tillich wird den Sachsen als sympathischer Landesvater in Erinnerung bleiben - als Mann, der auf der Straße schnell mit Bürgern in Kontakt kam und da auch unverkrampft wirkte. Politisch hat er außerhalb Sachsens kaum Akzente gesetzt. Die Bundespolitik war nie sein Feld, Ambitionen auf höhere Ämter hegte er nicht.
Der SPD-Landesvorsitzende, Vizeministerpräsident Martin Dulig, nennt den Rücktritt Tillichs konsequent: „Die Art und Weise, wie die CDU in den letzten Jahren hier in Sachsen Politik gemacht hat, hat doch zu einer riesengroßen Vertrauenkrise geführt.“
Die neun Jahre als Ministerpräsident seien die besten „meines politischen Lebens“ gewesen, sagt Tillich im Wappensaal vor den Fotos seiner Amtsvorgänger. Sein Landtagsmandat werde er behalten. Auch im CDU-Team bei den Berliner Jamaika-Sondierungen wolle er bleiben. Die Frage eines Reporters, ob es sich denn nicht in Sachsen zu kämpfen lohne, lässt er im Rausgehen unbeantwortet.