Steinbrück greift Merkel an: Doppelspiel in der Euro-Krise
Berlin (dpa) - Beim ersten Rededuell im Parlament nach der Nominierung zum SPD-Kandidaten hat Peer Steinbrück Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hart attackiert. Auf persönliche Angriffe verzichtete Steinbrück aber weitgehend.
In der Debatte zum EU-Gipfel warf er der Regierungschefin ein „Doppelspiel“ im Kampf gegen die Euro-Krise vor. Merkel habe zugelassen, dass ihre schwarz-gelbe Koalition über Monate „Mobbing gegen Griechenland“ betrieben habe: „Sie haben nicht eingegriffen. Sie haben laviert.“
Merkel warb dagegen für weitere gemeinsame Anstrengungen und vermied Attacken auf ihren einstigen Finanzminister der großen Koalition. Konkret schlug sie einen neuen Hilfsfonds vor und plädierte für einen starken Währungskommissar. Weitreichende Entscheidungen zur europäischen Währungsunion erwartet die Kanzlerin im Dezember. Merkel warf Griechenland zwar Reform-Versäumnisse vor. Die CDU-Chefin bekräftigte aber: „Ich wünsche mir, dass Griechenland im Euroraum bleibt.“
Am Abend wollten die EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel über eine stärkere Zusammenarbeit in der Wirtschafts- und Finanzpolitik zur Lösung der Euro-Krise beraten. Thema das zweitägigen Treffens ist auch die europäische Bankenaufsicht unter dem Dach der Europäischen Zentralbank (EZB). Frankreich und Spanien dringen auf eine rasche Aufsicht, damit der Euro-Rettungsfonds ESM direkt Banken stützen kann. Deutschland tritt hier auf die Bremse.
Vor dem Gipfel hatten die Gewerkschaften in Griechenland mit massiven Streiks gegen das Sparpaket von 13,5 Milliarden Euro protestiert. Spaniens Gewerkschaften wollen nach Medienberichten im November mit neuen Streiks gegen die Sparpolitik mobil machen.
Die Kanzlerin schlug in ihrer Regierungserklärung zum Gipfel als „neues Element der Solidarität“ einen Fonds zur Unterstützung von Reformen in Krisenländern vor. Aus dem Topf könnten zeitlich befristet und projektbezogen Gelder genutzt werden. Gespeist werden könne er aus Einnahmen der geplanten Finanztransaktionssteuer.
Merkel stellte sich hinter den Vorstoß von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) für einen stärkeren EU-Währungskommissar mit „echten Durchgriffsrechten“ in nationale Haushalte. Ihr sei bewusst, dass es in vielen Staaten dazu noch keine Bereitschaft gebe. „Das ändert nichts daran, dass wir uns dafür stark machen werden.“ Zur Kritik an Schäuble auch aus den eigenen Reihen sagte sie: „So bauen wir ein glaubwürdiges Europa nicht, wenn wir alles sofort vom Tisch wischen.“
Merkel warnte vor überhasteten Schritten bei der Bankenaufsicht und dämpfte Erwartungen an rasche direkte Finanzspritzen an Banken durch den ESM. Voraussetzung sei eine wirksame Aufsicht. „Ich will es ganz deutlich sagen: Der bloße Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens für eine Bankenaufsicht reicht nicht aus.“
Der designierte SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück warf Merkel vor, die Bedeutung des Projekts Europa über die Krisenpolitik hinaus nicht ausreichend zu erklären. Sie solle den Menschen ehrlich sagen, dass Griechenland weitere Hilfe benötige. Schwarz-Gelb tue zu wenig für mehr Wachstum. Steinbrück: „Aus einer einseitigen Krisenanalyse folgt eine einseitige Therapie: Sparen, sparen, sparen.“
Auch Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte mit Blick auf die Griechenland-Rettung Richtung Kanzlerin: „Sagen Sie doch die ganze Wahrheit.“ Das vorgeschlagene Sperrkonto, auf das die nächste Tranche der Griechenlandhilfen ohne Zugriff der Athener Regierung fließen soll, nannte sie eine krude Idee. Die Bundesregierung traue sich nicht zu sagen, es gebe ein drittes Rettungsprogramm. Der Fraktionschef der Linken, Gregor Gysi, forderte ein Ende der bisherigen Kürzungspolitik in Griechenland und mehr Investitionen. „Dann, und nur dann kriegen wir auch unser Geld zurück“, sagte er.
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle hält „allenfalls auf der Zeitachse kleine Zugeständnisse an die griechische Regierung“ für möglich. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) warnte mit Blick auf Schäubles Vorstoß, einer Übertragung von Kompetenzen ohne parlamentarische Kontrolle würde die Union nicht zustimmen. Der Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz (SPD), hält die Reformvorschläge Schäubles grundsätzlich für richtig.
Nach einer Forsa-Umfrage für den „Stern“ hat Merkel gegenüber Steinbrück einen deutlichen Sympathiebonus. 53 Prozent halten die Kanzlerin für sympathisch, 40 Prozent sagen dies von Steinbrück. Dagegen finden mehr Bundesbürger den SPD-Kandidaten schlagfertiger und humorvoller. Der Kanzlerin wird mehr Führungsstärke attestiert.