Sturm tobt in Hamburger Wohngebiet: „Es dröhnte, das Dach flog weg“

Hamburg (dpa) - „Die Veranda fing an zu dröhnen, das Dach flog weg und der Apfelbaum fiel direkt auf die Laube drauf.“ Nicole Greve steht fassungslos vor ihrem schwer beschädigten Gartenhäuschen.

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Die 47 Jahre alte Chemielaborantin wollte mit ihrem 13-jährigen Sohn gerade Würstchen grillen, als über der Kleingartenanlage in Hamburg-Farmsen am Dienstagabend plötzlich das Unwetter hereinbrach. Erst habe kräftiger Regen eingesetzt, dann fielen Hagelkörner fast so groß wie Tischtennisbälle. Und plötzlich war der Tornado da.

Das Unwetter dauerte nur kurz. Wer das Trümmerfeld sieht, kann kaum glauben, dass niemand verletzt wurde. „Die Geräusche machten einem Angst, es war wie im Film“, sagt eine Anwohnerin in der Straße Rönk, wenige Schritte weiter. „Der Schuppen ist komplett zerstört, das Trampolin flog 20 Meter hoch“, ergänzt ihr Nachbar.

In der Parallelstraße, direkt an der Kleingartenanlage, hat der Wirbelsturm fast alle Spitzdächer der kleinen Einfamilienhäuser beschädigt. Von einem der Häuser hat der Tornado einen Teil des Giebels weggerissen. Die Nachbarn helfen sich gegenseitig, die Schäden noch am Abend provisorisch zu beseitigen. „Einige haben die Dachziegel von der Garage runtergenommen, um damit die Hausdächer zu reparieren“, sagt ein Anwohner.

Feuerwehr und Technisches Hilfswerk sind mit Dutzenden Fahrzeugen in dem Wohngebiet im Einsatz. Auf der Steilshooper Allee und im Tegelweg blockieren zahlreiche umgestürzte Bäume die Fahrbahn und den Bürgersteig. Von Drehleitern aus sichern die Einsätzkräfte bis tief in die Nacht abgeknickte Äste und beschädigte Dächer. Von einem neunstöckigen Hochhaus hat der Sturm ein Stück des Flachdachs heruntergerissen, berichtet Florian Schmidt, der wenige hundert Meter weiter wohnt. Das Haus, in dem der 26-Jährige mit seiner Freundin lebt, sei dagegen völlig unbeschädigt.

Erstaunlich ist, wie punktuell die Naturgewalt zugeschlagen hat. In der Straße Sandstücken stehen noch immer große prächtige Laubbäume in einer Reihe, offensichtlich ohne einen abgeknickten Zweig. Zehn Meter weiter ist ein Baum mit 80 Zentimeter dickem Stamm komplett zerlegt. Alte, dicke Bäume seien wie Streichhölzer umgeknickt, sagt Feuerwehrsprecher Jan Ole Unger. So wie eine Eiche hinter einem Haus in der Straße Farmsener Höhe. Sie ist auf einen Carport gefallen, mehrere Autos sind zerquetscht.

Am Morgen nach dem heftigen Unwetter stehen zahlreiche Anwohner vor ihren Häusern oder in ihren Gärten. Sie schauen sich die Spuren der Verwüstung an, fotografieren, telefonieren mit Versicherungen und Firmen, die ihnen bei der Beseitigung der Schäden helfen sollen. Einige Gartenbaubetriebe und Dachdecker sind schon im Einsatz.

Steffan Kunze hat Glück im Unglück gehabt: Eine durch die Luft gewirbelte Holzlatte hat sich durch das Dach seines Wohnhauses bis in den Kleiderschrank im Schlafzimmer gebohrt. Nur einen Meter daneben steht das Bett, in dem um die Uhrzeit aber noch niemand lag. „Das hätte auch ganz anders ausgehen können“, sagt der 51-Jährige.

Ein älterer Nachbar steht mit einem Kehrblech in der Hand auf der Straße. Er will damit die viele Blumenerde der umgestürzten Pflanzen auf seinem Balkon wegfegen. „Hier ist er durchgezogen“, erklärt der Mann und zeigt mit seinem Arm in die Richtung, die der Tornado nahm. „Die Ascheneimer machten sich selbstständig.“ Ein Baum nach dem anderen sei umgekippt.

Rot-weißes Absperrband der Polizei flattert vor Parkplätzen der Schulen Surenland und Gymnasium Farmsen. Dort dürfen noch keine Autos stehen, überall liegen Äste und Blätter. Weil bislang nicht alle Notausgänge der Schule frei seien, habe der Unterricht zum Teil in andere Räume verlegt werden müssen, berichtet der Hausmeister. „Dieses Naturereignis war heftig.“