Szenen einer Nacht: Wut und Gewalt in Ferguson
Ferguson (dpa) - Aus ihren Absichten macht die Gruppe junger Männer keinen Hehl. „Vergeltung! Vergeltung!“, tönt es aus der Menge. Soeben haben die Menschen in der US-Kleinstadt Ferguson von der Entscheidung der Geschworenen-Jury erfahren, dass Darren Wilson nicht angeklagt werden soll.
Der weiße Polizist hatte im August den unbewaffneten schwarzen Jugendlichen Michael Brown erschossen - und damit tagelange Unruhen in der überwiegend von Afroamerikanern bewohnten Stadt im US-Staat Missouri ausgelöst.
Jetzt kocht die Wut wieder hoch. Rund 300 Männer und Frauen haben sich vor der Polizeiwache der Kleinstadt versammelt. Mit jeder Minute werden die Sprechchöre lauter. Die zunächst friedliche Stimmung schlägt innerhalb kürzester Zeit um.
„Ich bin hierhergekommen, um zu sehen, wie der Gerechtigkeit genüge getan wird. Aber jetzt wissen wir, dass dies nicht der Fall ist“, sagt der 19-jährige John der Deutschen Presse-Agentur. „Jetzt geht es los hier, jetzt geht es los“, sagt der junge Mann, der bereits eine Gasmaske trägt. Kurz darauf rennt er mit zwei Freunden in Richtung eines geparkten Streifenwagens. Später wird er eine Schaufensterscheibe einwerfen und „Vergeltung! Vergeltung!“ rufen.
Während die Mehrheit der Demonstranten anfangs ruhig bleibt, beginnt eine kleine Gruppe - darunter einige Vermummte - die Fenster von Geschäften, Restaurants und Lebensmittelläden einzuwerfen. Dann schleudern sie Steine und brennende Gegenstände, die wie Molotow-Cocktails aussehen, auf Polizeifahrzeuge.
Schon bald brennen mindestens zwei Polizeiautos und mehrere Pkw. Geschäfte auf der West Florissant Avenue werden geplündert. Die Organisatoren der Proteste versuchen, die Randalierer zu beschwichtigen. „Das ist nicht, wofür wir hierher gekommen sind“, ruft einer, als zwei Männer die Fensterscheiben eines Restaurants einwerfen. „Was tut ihr da? Ihr zerstört eure eigene Stadt“, brüllt ein anderer Organisator in Richtung einer Gruppe Jugendlicher, die einen Autoladen verwüsten.
Kurz darauf versucht die angerückte Polizei, die Lage zu befrieden, und droht per Lautsprecher mit Festnahmen. Gleißendes Licht aus drei Polizeihubschraubern erhellt die Szenerie. Die Beamten setzen Tränengas, Rauchbomben und Pfefferspray ein, um die Menge aufzulösen.
Innerhalb von zwei Stunden sind Grundstücke an der South und der West Florissant Avenue verwüstet, aus einigen Gebäuden schlagen Flammen. Terri Franks, Mutter von vier Kindern, spricht von einem „wirklich traurigem Tag“. Kurz nach der Urteilsverkündung hatte die 48 Jahre alte Flugbegleiterin gesagt: „Die Leben der Schwarzen zählen nicht. Die ganze Sache bringt mich zum Weinen.“