Tarifexperte: „Ein Schlichter sollte eigentlich schweigen“

Berlin/Nürnberg (dpa) - Mit dem ehemaligen brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck und Thüringens Regierungschef Bodo Ramelow (Linke) haben sich die Bahn und die Gewerkschaft GDL für zwei Schlichter aus dem linken politischen Lager entschieden.

Damit käme die Bahn schon deutlich auf die GDL zu, erklärt der Arbeitsmarktforscher Claus Schnabel im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Für Ramelow hat der Professor einen Hinweis: Er sollte schweigen.

Frage: Nun wird zum ersten Mal in einem prominenten Fall ein amtierender Politiker als Schlichter in einem Tarifkonflikt eingesetzt. Wie bewerten Sie das?

Antwort: Dass ein Regierungschef sich aktiv in eine Schlichtung einbringt, ist äußerst ungewöhnlich, weil er selber auch von den Ergebnissen betroffen ist. Das heißt, er hat auch eigene Interessen, die er da verfolgt - sei es als Politiker, der gut dastehen will bei seinen Wählern, sei es aber auch als Verantwortlicher, der für sein Bundesland zuständig ist. Also, es ist eine etwas ungewöhnliche und auch eine etwas riskante Sache, die da gerade läuft.

Frage: Warum sind Schlichter denn meist aus dem linken Lager oder hier sehr linken Lager?

Antwort: Schlichter müssen nicht immer aus dem linken Lager sein. In den großen Arbeitskämpfen der Vergangenheit war es oft so, dass die Gewerkschaft einen gewerkschaftsnahen Schlichter vorgeschlagen hat und der Arbeitgeber einen arbeitgebernahen. So hat man zum Beispiel bei dem großen Arbeitskampf um die 35-Stunden-Woche 1984 die Kuh vom Eis gekriegt. Die Tatsache, dass wir jetzt zwei eher linke Schlichter haben, ist schon etwas ungewöhnlich, weil sie bedeutet, dass die Bahn der Gewerkschaft GDL relativ weit entgegengekommen ist.

Frage: Bodo Ramelow hat sich bereits kritisch gegenüber Bundesregierung sowie Bahn und deren bisherigem Vorgehen geäußert. Ist er überhaupt noch als Schlichter geeignet?

Antwort: Nun, dass ein Schlichter sich vor der Schlichtung schon so deutlich auf eine Seite schlägt, das ist sehr ungewöhnlich. Es ist wahrscheinlich auch ziemlich unklug und erleichtert nicht gerade die Schlichtung. Ein Schlichter sollte eigentlich schweigen und in Ruhe schlichten.

ZUR PERSON: Claus Schnabel ist Professor an der Universität Erlangen-Nürnberg und Inhaber des Lehrstuhls für Arbeitsmarkt- und Regionalpolitik. Er hat bereits zahlreiche Publikationen zum Thema Tarifpolitik veröffentlicht.