Tausende melden sich freiwillig zum Kampf
Bagdad (dpa) - Nach dem rasanten Vormarsch der Islamistengruppe Isis im Irak haben sich Tausende Freiwillige zum Widerstand gegen die sunnitische Terrororganisation bereit erklärt.
Allein in Nadschaf würden 100 000 Rekruten für die Aufnahme in die irakische Armee erwartet, berichtete „Al-Sumaria News“ am Samstag. Zuletzt hieß es in Bagdad, einige von Isis eingenommene Städte seien zurückerobert worden. Experten warnten vor einem religiös motivierten Krieg in dem zerrissenen Land.
US-Verteidigungsminister Chuck Hagel ordnete wegen der Irak-Krise die Verlegung eines Flugzeugträgers in den Persischen Golf an. Damit solle Präsident Barack Obama zusätzliche Flexibilität gegeben werden, „sollten militärische Optionen nötig werden, um das Leben von Amerikanern, Bürgern und Interessen im Irak zu schützen“, teilte Pentagon-Sprecher John Kirby am Samstag mit.
Nach den Angaben befand sich der Flugzeugträger „USS George H.W. Bush“ bisher im Arabischen Meer und sollte am späten Abend (US-Zeit) sein Ziel erreichen. Obama hatte zuvor eine Rückkehr von US-Kampftruppen in den Irak ausgeschlossen. Zugleich hielt sich der US-Präsident aber andere militärische Optionen offen. Die oppositionellen Republikaner riefen Obama zu einem entschiedeneren Vorgehen auf. John McCain, einflussreicher Senator aus Arizona, drängte Obama zu sofortigen Luftangriffen, um den Vormarsch der Dschihadisten zu stoppen.
Im Irak wächst nach Medienberichten der Widerstand gegen die auf Bagdad vorrückenden Islamisten. Viele Freiwillige seien dem Aufruf des irakischen Großajatollahs Ali al-Sistani gefolgt, der vor allem seine schiitischen Glaubensbrüder aufforderte, schiitsche Heiligtümer im Land vor den sunnitischen Isis-Kämpfern zu beschützen.
Ministerpräsident Nuri al-Maliki rief Sunniten und Schiiten zum gemeinsamen Kampf gegen den Terror auf. „Wir gehören zu einem Land und einer Religion“, appellierte er am Samstag in einer Fernsehansprache an seine Landsleute. „Hört nicht auf die, die über Sunniten und Schiiten reden“, sagte Al-Maliki in der zentralirakischen Stadt Samarra, die offensichtlich aus der Gewalt von Isis-Kämpfern zurückerobert wurde. „Von Samarra aus beginnen wir die Schlacht, um den Terrorismus zu besiegen.“
Die sunnitische Terrorgruppe „Islamische Staat im Irak und in Syrien“ (Isis) kämpft gegen Schiiten, die sie als „Abweichler“ von der wahren Lehre des Islams ansehen. Im Irak fühlen sich viele Sunniten seit Jahren von der schiitisch dominierten Regierung in Bagdad diskriminiert. Deswegen fiel der Terrormiliz der Vormarsch zunächst leicht. Isis rückte seit Anfang der Woche auf Bagdad vor und brachte mehrere Städte unter ihre Kontrolle, darunter die nördliche Millionenmetropole Mossul. Aus verschiedenen Richtungen wollen Isis-Kämpfer nun Bagdad umzingeln und in die Stadt einrücken.
Ziel der Terrortruppe ist ein sunnitischer Gottesstaat vom östlichen Mittelmeer bis zum Persischen Golf. Nach UN-Angaben wurden bei Kämpfen in den vergangenen Tagen mehrere Hundert Zivilisten getötet und etwa 1000 verletzt. Berichte über Massenhinrichtungen durch Isis-Extremisten lösten international Entsetzen aus. Isis selbst verbreitet im Internet Fotos von exekutierten Klerikern und irakischen Soldaten. Hunderttausende Iraker sollen auf der Flucht sein.
Der Nahost-Experte Guido Steinberg geht von einem Angriff der Isis auf die irakische Hauptstadt aus. „Es geht Isis auch deutlich um Bagdad“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Die Organisation werde versuchen, in den sunnitischen Stadtvierteln Fuß zu fassen. Er rechnet mit schweren Anschlägen auf die Stadt in den nächsten Tagen. Unbestätigten Angaben zufolge hat Isis bereits Selbstmordanschläge in Bagdad verübt.
Nach Medienberichten vom Samstag konnten kurdische und irakische Truppen den Vormarsch von Isis jedoch gebietsweise stoppen. Mehrere Städte, die die extremistischen Kämpfer seit Dienstag erobert hatten, seien wieder befreit worden. So habe die irakische Armee die Städte Samarra und Tikrit unter Kontrolle und fliege Luftangriffe auf Isis-Stellungen in Mossul, berichtete „Al-Sumaria News“. Über 200 Isis-Kämpfer seien dabei getötet worden.
Der iranische Präsident Hassan Ruhani zeigte sich offen für eine Zusammenarbeit mit den USA im Kampf gegen die Isis. Allerdings müsse die Initiative von den Amerikanern ausgehen. Presseberichte, wonach der Iran Spezialkräfte in den Kampf gegen Isis in den Irak entsandt habe, wieß Ruhani zurück. „Wir werden unseren Nachbarn Irak in jeder Weise unterstützen und beraten, aber eine militärische Beteiligung ist nicht angefordert worden und steht auch nicht zur Debatte.“