Tränen und Protest - Aus dem Alltag der Abschiebungen
Frankfurt/Main/Mainz (dpa) - Meist geht es gut. Doch manchmal ist die Verzweiflung zu groß: „Es gibt auch welche, die spucken, beißen und beleidigen uns im Flugzeug“, sagt Tobias Löser (Name geändert), Bundespolizist am Flughafen Frankfurt/Main.
Er begleitet Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber in ihre Heimat. „Manchmal haben wir bei Flügen nach Afrika das ganze Flugzeug gegen uns. Da sitzen lauter Landsleute drin und starren uns an. Man kann seine Brötchen auch leichter verdienen.“
Mit dem Ansturm von Flüchtlingen soll die Zahl der Abschiebungen steigen. Die EU-Kommission beklagt, dass Deutschland hier hinterher hinke, und der Bund kritisiert aus demselben Grund die Bundesländer. Das Gesetz zur Beschleunigung von Asylverfahren, über das der Bundesrat an diesem Freitag entscheidet, sieht auch die Vereinfachung von Abschiebungen vor. So sollen diese zum Beispiel nicht mehr angekündigt werden, „um die Gefahr des Untertauchens zu verringern“. Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat eingeräumt, dass Abschiebungen bisher noch nicht schnell und konsequent genug organisiert würden.
Während Kriegsflüchtlinge beispielsweise aus Syrien meist mit Erfolg Asyl beantragen, sieht das bei Menschen etwa vom Balkan fast immer anders aus. Ihnen unterstellen die Behörden vorrangig wirtschaftliche Fluchtmotive. Zur Abschiebung kann es kommen, wenn ein abgelehnter Asylbewerber nicht in einer bestimmten Frist freiwillig ausreist - wofür es über verschiedene Programme oft noch finanzielle Hilfen gibt, auch zum Aufbau einer neuen Existenz in der Heimat.
2014 kam es bundesweit zu knapp 10 900 Abschiebungen. Allein im ersten Halbjahr 2015 waren es laut Bundesinnenministerium 8178. Die Zahl der Ausreisepflichtigen ohne Duldung lag Ende August allerdings noch viel höher: bei rund 52 500. Auch Abschiebungen verschlingen Steuergeld: Im Jahr 2014 beispielsweise zahlte allein der Bund für die „Sicherheitsbegleitung bei Rückführungen“ 2,67 Millionen Euro.
Abschiebungen sind nicht schön. Los geht es oft zu Hause. Tränen fließen, Kinder klammern sich an ihre Stofftiere, Nachbarn protestieren. Eine Mitarbeiterin der Ausländerbehörde Mainz gesteht: „Auch für uns ist das teils traumatisch, wenn wir böse sein müssen.“
Der Vizechef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek, sagt: „Rückführungen sind die Kehrseite der Willkommenskultur.“ Der politische Wille, künftig rascher abzuschieben, sei richtig: „Denn Rückführungen sind vor allem dann emotional, wenn die Integration der Betroffenen in Deutschland schon weit vorangeschritten ist und sie aus ihrem sozialen Netz rausgerissen werden.“
Für Abschiebungen wählen Behörden meist den Luftweg. Da kann niemand wie bei Zug- oder Busfahrten unterwegs aussteigen. Oft werden eigens Charterflüge zusammengestellt - oder die „Schüblinge“ (Polizeijargon) reisen möglichst diskret in der letzten Reihe bei Linienflügen mit.
Zuständig ist die Bundespolizei. Ihre Belastung ist hoch. Das Bundesinnenministerium teilt mit: „Derzeit vergeht kaum ein Tag, an dem nicht ein Charterflug in den Westbalkan durchgeführt wird, um die Ausreisepflicht durchzusetzen.“
Die GdP fordert daher mehr Personal. Für einen einzigen Charterflug mit 200 Abzuschiebenden sind laut Radek etwa 30 „Rückführer“ nötig. Der Beamte Löser sagt: „Das kann nicht jeder Polizist tun.“ Mit mehrwöchigen Kursen bereitet die Bundespolizei Freiwillige in ihren Reihen auf den besonderen Job vor. GdP-Vize Radek erklärt: „In den Neunzigern gab es zwei lagebedingte Erstickungstode bei Rückführungen. Daraufhin sind die Schulungen verbessert worden.“
Löser sagt: „Wir setzen bei Rückführungen ganz auf das Gespräch. Da gehört viel Intuition und Fingerspitzengefühl dazu.“ Bei vielen gebe es keine Probleme. „Bei anderen muss ich ein bisschen forscher auftreten.“
Manche Abzuschiebende tragen Handschellen bis zum Flugzug. Dann werden sie laut Löser „umgefesselt“ - sie erhalten Klettbänder. „Die können wir bei einem Notfall des Flugzeugs schneller lösen.“ Die ganz wenigen „super Gewalttätigen“ bekämen „Festhaltegurtesysteme“.
Radek betont: „Es gibt keine Rückführung um jeden Preis. 2014 hatten wir bundesweit 146 Fälle, bei denen wir wegen Widerstandshandlungen abbrechen mussten.“ In solchen Fällen lande der „Schübling“ wieder im Abschiebegewahrsam. „Das macht es noch komplizierter.“