Nach Hurrikan „Maria“ Trump ärgert San Juans Bürgermeisterin: „Ich bin stinksauer“

San Juan (dpa) - Carmen Yulín Cruz hat wenig geschlafen in den vergangenen Tagen. Rastlos zieht die Bürgermeisterin durch Puerto Ricos Hauptstadt San Juan.

Foto: dpa

Mit Baseballmütze auf dem Kopf und Kampfstiefeln an den Füßen, ein Megafon über den Schultern überprüft sie die Aufräumarbeiten nach Hurrikan „Maria“, hilft bei den Verteilung von Lebensmittelpaketen mit und eilt dann weiter zu einer Krisensitzungen mit den Elektrizitätswerken.

Von der Regierung in Washington fühlt sich Yulín Cruz in diesen schweren Tagen ziemlich alleine gelassen. „Wir sterben hier und ihr tötet uns mit der Ineffizienz und eurer Bürokratie“, sagte die Bürgermeisterin zuletzt auf einer Pressekonferenz. „Ich kann nicht verstehen, dass die großartigste Nation der Welt nicht in der Lage ist, die Logistik für eine kleine Insel zu organisieren.“

Vor allem die Arbeit der US-Katastrophenschutzagentur Fema gehe zu langsam voran. „Ich habe genug davon, höflich zu sein. Ich habe genug davon, politisch korrekt zu sein. Ich bin stinksauer“, schimpfte Yulín Cruz. „Wenn wir den Menschen kein Wasser und kein Essen geben, dann werden wir etwas sehen, das einem Völkermord sehr nahe kommt.“

Der Direktor der Wasserwerke, Elí Díaz, sagt der Zeitung „El Nuevo Día“, er habe von 150 bei Fema beantragten Generatoren lediglich drei erhalten. Gouverneur Ricardo Rosselló warnt, Puerto Rico müsse schnell wieder auf die Beine kommen, sonst drohe eine massive Auswanderung in die USA.

US-Präsident Donald Trump wies die Kritik zurück und griff Bürgermeisterin Yulín Cruz direkt an. „Welch armselige Führungskraft der Bürgermeisterin von San Juan und anderen in Puerto Rico“, schrieb er per Twitter von seinem Golfclub in New Jersey. „Sie wollen, dass alles für sie getan wird, obwohl es eine gemeinschaftliche Anstrengung sein sollte.“ Insgesamt feuert der Präsident 18 Tweets ab, um seine Arbeit nach „Maria“ zu verteidigen.

Der Tropensturm war vor knapp zwei Wochen über Puerto Rico hinweggezogen und hatte eine Schneise der Verwüstung auf der Karibikinsel hinterlassen. Noch immer sind die meisten Einwohner ohne Strom, viele haben kein fließendes Wasser. Weil es nur wenig Benzin gibt und viele Straßen beschädigt sind, können Hilfslieferungen zudem nur schwer in abgelegene Regionen gebracht werden.

Am Dienstag will Trump sich in Puerto Rico selbst ein Bild von der Lage machen. Viel zu spät, wie Kritiker bemängeln. Direkt nach dem Sturm schenkte er der katastrophalen Lage in dem US-Außengebiet tagelang überhaupt keine Beachtung. Stattdessen widmete der Präsident sich ausgiebig seiner Privatfehde mit Footballspielern, die aus Protest gegen Polizeigewalt gegen Schwarze während der Nationalhymne auf die Knie gehen.

Als Trump sich dann zu Puerto Rico äußerte, erinnerte er die Inselbewohner erst einmal daran, dass sie ihre Schulden bezahlen müssten. Das US-Außengebiet steckt seit Jahren in einer schweren Wirtschaftskrise. Insgesamt liegt die Schuldenlast bei rund 70 Milliarden US-Dollar (rund 64 Milliarden Euro), hinzu kommen ungedeckte Pensionsansprüche. Washington hat die Insel bereits unter Finanzaufsicht gestellt.

Puerto Rico gehört zum Territorium der USA. Es ist aber kein US-Bundesstaat, sondern hat als selbstverwaltetes Außengebiet einen Sonderstatus. Deshalb kann sich die Karibikinsel auch nicht nach US-Insolvenzrecht für pleite erklären, wie es beispielsweise die Stadt Detroit getan hat. In einer Art Konkursverfahren sollen die Verbindlichkeiten nun restrukturiert werden.

Puerto Ricaner fühlen sich häufig als Bürger zweiter Klasse. Als Bewohner eines assoziierten Freistaats haben sie zwar einen US-Pass, aber sie dürfen nicht an den Präsidentschaftswahl teilnehmen und ihre Delegierten im Kongress in Washington haben kein Stimmrecht. Kritiker sprechen von einem kolonialen System. Die aus ihrer Sicht zu langsame Hilfe und Trumps Äußerungen bestätigen die Einschätzung vieler Puerto Ricaner, dass sie in Washington nicht ernst genommen werden.

„Die Unfähigkeit der Trump-Regierung, den US-Bürgern in Puerto Rico genauso schnell zu helfen wie jenen in Texas und Florida verstärkt den traurigen Verdacht, dass die ungleiche Behandlung weniger mit der Logistik als vielmehr mit der Sprache und der Hautfarbe zu tun hat“, schreibt der Kolumnist Dana Milbank in der „Washington Post“. Die frühere US-Außenministerin und Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton sagt: „Ich bin mir nicht sicher, ob Trump weiß, dass Puerto Ricaner auch US-Bürger sind.“

Bürgermeisterin Yulín Cruz richtet unterdessen einen flammenden Appell an das Weiße Haus: „Vergesst uns nicht. Lasst nicht zu, dass wir uns alleine fühlen.“ Trotz ihrer harschen Kritik an der US-Regierung ist sie bereit, sich mit Präsident Trump zu treffen. „Alles was ich getan habe, war um Hilfe zu bitten. Wenn er sich mit mir treffen will, bin ich selbstverständlich dazu bereit.“

Die 54-Jährige hat lange auf dem Festland gelebt, sie arbeitete für die Scotiabank und das US-Finanzministerium. Sie kennt das System. Jetzt ist sie zur Jeanne d'Arc von Puerto Rico geworden. „Da ist Horror in den Straßen“, sagt sie. „Die Leute haben kein Essen, kein Trinkwasser, keine Medikamente. In den Augen der Menschen ist schierer Schmerz. Nicht darüber, was passiert ist, sondern darüber, was noch kommen mag.“