Viele Fallstricke Trump will im Nahost-Friedensprozess die Karten neu mischen
Jerusalem (dpa) - In einer ungewohnt demütigen Geste legt US-Präsident Donald Trump seine Hand an die Klagemauer in Jerusalem und verharrt lange mit geschlossenen Augen. Auf dem Kopf trägt er eine schwarze Kippa.
Dann steckt Trump einen Bittzettel in die jahrtausendealte Mauer - das höchste Heiligtum der Juden. Es sind starke Bilder und Trump als Meister der Inszenierung weiß dies genau.
Er ist der erste amtierende US-Präsident, der diesen symbolträchtigen Ort besucht. „Seine Vorgänger haben es nicht gewagt, sich in dieses Minenfeld zu begeben“, sagt ein israelischer Fernseh-Kommentator.
Weil die Jerusalemfrage im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern so heikel ist, will Trump sich in der Altstadt nicht von israelischen Politikern begleiten lassen.
Dafür wirkt sein Empfang am Flughafen wie eine Demonstration größter Nähe zwischen den Bündnispartnern. Mit strahlenden Gesichtern legen Trump, seine Frau Melania, Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und dessen Frau Sara in einer Geste der Einheit ihre Hände zusammen. Noch nie hat ein US-Präsident dieses Land so früh besucht, und Israel weiß das sehr zu schätzen. „Wahrhaft historisch“ nennt Netanjahu den Besuch zur Begrüßung.
Trump selbst, Präsident Reuven Rivlin, Netanjahu: Alle bemühen sie in ihren kurzen Ansprachen das Wort vom Frieden. Trump sieht eine seltene Chance für die ganze Region, betont, das gehe nur gemeinsam! Schon vor Wochen zeigte er sich in Washington überraschend sicher, Frieden in Nahost sei vielleicht doch nicht ganz so schwierig, wie das manche Leute gedacht hätten. Der selbsterklärte Großmeister schwierigster Verhandlungen will auf alle Fälle einen „Deal“ für Nahost erreichen.
Dafür, das sagt er allerdings auch, brauche man zwei willige Partner. Das könnte nur eines der Probleme sein, sind doch der Akteure in diesem Teil der Welt viele. Der Friedensprozess steht still, der Konflikt ist verkeilt und verfahren.
Allerdings schreibt die israelische „Haaretz“ am Montag: Man müsse Trump weder mögen noch ihm zustimmen - aber wenn bisher alles schief gegangen sei mit dem Friedensprozess, was habe man dann schon zu verlieren? Vielleicht, heißt es im Kommentar, sollte man ihn einfach mal probieren lassen?
Sein Besuch bietet Donald Trump die goldene Gelegenheit, sich als ernstzunehmender Staatsmann zu präsentieren. Lang sind die Schatten der Skandale aus der Heimat. Unter anderem hat er Russland laut „New York Times“ heikle Geheimdienstinformationen weitergereicht. Aus israelischer Quelle.
Offiziell ignoriert Israel den Skandal und betont immer wieder das unverbrüchliche und einzigartige Bündnis mit den USA. Doch hinter den Kulissen rumort es, auch am milliardenschweren Waffendeal Trumps mit den Saudis wird am Montag Kritik laut. Saudi-Arabien sei ein feindliches Land, heißt es aus der Regierung. Man fürchtet um die israelische Waffenhoheit, wenn Riad mit reichlich Gerät aus den USA eingedeckt wird.
Israels rechtes Lager hatte Trump nach dessen Wahlsieg euphorisch als Heilsbringer gefeiert. Politiker wie der ultra-rechte Erziehungsminister Naftali Bennett hofften, Israel könnte sich unter Trump endgültig von der ungeliebten Vision eines unabhängigen Palästinenserstaates lossagen und ungehindert mit Volldampf in den Siedlungen bauen. Doch inzwischen hat sich Katerstimmung breitgemacht.
Denn Trump scheint in zentralen Nahost-Fragen auf den Kurs seines Vorgängers Barack Obama umgeschwenkt zu sein. Dessen Verhältnis zu Netanjahu war unverhohlen negativ. Das ist bei Trump ganz anders. „Wir lieben Israel“, sagt er zur Ankunft. Aber: Auch er forderte von Israel Zurückhaltung beim Siedlungsbau. Seine groß angekündigte Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem steht inzwischen nicht mehr auf der Tagesordnung.
Die Palästinenser sehen im arabischen Ostteil Jerusalems die Hauptstadt eines künftigen unabhängigen Staates. Sie haben seit Trumps Kehrtwende neue Hoffnung geschöpft. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas scheint bereit, einen neuen Anlauf bei den seit 2014 brachliegenden Friedensverhandlungen zu wagen.
Trump wird für dieses komplexe Thema einen langen Atem brauchen. Aber wie viel Druck wird er ausüben können, wenn sein Verbleib im Amt offen in Frage gestellt wird? Trump ist der sechste amtierende US-Präsident, der Israel besucht. So verschieden die Versuche seiner Vorgänger auch waren, nachhaltigen Erfolg hatte niemand. „Wir kriegen das hin“, gab er sich sicher.
Dass Trump als gewiefter Geschäftsmann ausreichend gute Karten hat, bezweifelt der ehemalige israelische Botschafter in Washington Zalman Schoval. Es sei keine Frage der Technik, glaubt er. „Es geht hier um zwei Völker, die dasselbe kleine Stück Land für sich beanspruchen.“ Es handele sich um einen Konflikt mit hochkomplexen historischen und psychologischen Aspekten, ein Vermittler brauche deshalb großes Fingerspitzengefühl. „Man muss die tieferen Fragen gründlich studieren und ich hoffe, Präsident Trump hat dies in den vergangenen Monaten getan.“