Risiko oder Chance? Trumps Abschottung als Bewährungsprobe für Europa

Brüssel (dpa) - Glaubt man dem neuen US-Präsidenten Donald Trump, ist es um die US-amerikanische Wirtschaft sehr schlecht bestellt. „Viele Jahrzehnte lang haben wir ausländische Industrien auf Kosten der amerikanischen Industrie reicher gemacht“, sagte er unlängst.

„Als Ergebnis mussten Arbeiterstädte mit ansehen, wie ihre Fabriken geschlossen wurden und gut bezahlte Jobs nach Übersee wanderten - während Amerikaner mit einem wachsenden Handelsdefizit und einem verwüsteten Produktionsstandort konfrontiert sind.“ Sein „Rezept“ dagegen: Abschottung. Am Montag machte er bereits den angekündigten Rückzug aus dem transpazifischen Handelsabkommen TPP wahr.

Unabhängig von der Frage, wie weit Trump mit seinen Einschätzungen Recht hat - die USA sind etwa nach wie vor weltweit die Wirtschaftsmacht Nummer eins, einzelne Regionen kämpfen allerdings mit industriellem Niedergang - muss Europa sich für die Folgen einer neuen Wirtschaftspolitik wappnen. Was könnte dies für die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen bedeuten? Welche Chancen bieten sich möglicherweise durch eine Isolation der USA? Und was könnte aus alldem für die deutschen Exportbranchen folgen? Einige Fragen und Antworten im Überblick.

Wie sehen die Handelsbeziehungen zwischen den USA und Europa aus?

Die Bedeutung ging in den vergangenen Jahren zwar tendenziell zurück, die USA sind für die EU aber nach wie vor unterm Strich der wichtigste Handelspartner - vor China, der Schweiz und Russland. Rund 620 Milliarden Euro betrug das Gesamthandelsvolumen zwischen den beiden großen Wirtschaftsblöcken im Jahr 2015 nach Angaben der EU-Kommission. Deutlich mehr Waren gingen allerdings von Europa über den Atlantik in die USA (Wert rund 371 Milliarden Euro). Die Importe beliefen sich auf knapp 250 Milliarden Euro.

Ist das ein Problem?

Teilweise. Die USA leben als Importweltmeister seit Jahren über ihren Verhältnissen. Im Gegensatz zu vielen europäischen Ländern ist der Konsum stark über Schulden finanziert. Das Handelsbilanzdefizit ist dem neuen US-Präsidenten Trump ein großer Dorn im Auge.

Andererseits ist dies nur eine Seite der Medaille. Neben der Bedeutung als Exportmarkt ist Europa für die USA nämlich vor allem als Investitionsstandort wichtig. Nach Angaben der deutsch-amerikanischen Wirtschaftskammer (American Chamber of Commerce in Germany) ist beispielsweise Deutschland das Hauptzielland amerikanischer Investitionen in Europa. Rund 2200 Firmen mit US-Kapital beschäftigen hier mehr als 600 000 Arbeitnehmer. Umgekehrt sichern demnach rund 3500 deutsche Tochtergesellschaften mehr als 620 000 Arbeitsplätze in den USA.

Was würde es speziell für Deutschland bedeuten, wenn die USA sich nun abschotten?

Die Vereinigten Staaten sind ein sehr wichtiger Abnehmer deutscher Exporte. Die Bundesrepublik lieferte 2015 Waren im Wert von knapp 114 Milliarden Euro in die USA - fast zehn Prozent aller deutschen Ausfuhren. Begehrt in Übersee sind etwa Autos und Autoteile, Maschinen, Chemieprodukte und Elektrotechnik. Nach Angaben des Münchner Ifo-Instituts hängen in Deutschland direkt und indirekt mehr als eine Million Arbeitsplätze an Exporten in die Vereinigten Staaten.

Eigentlich sollte mit dem jahrelang verhandelten TTIP-Abkommen der Austausch zwischen der EU und den USA noch vertieft werden. Die Verhandlungen liefen aber bereits mit der Regierung von Barack Obama sehr schleppend und könnten jetzt ganz zum Erliegen kommen.

In den vergangenen Jahrzehnten gingen die deutschen Ausfuhren in die Vereinigten Staaten zwar bereits deutlich zurück. Kappt Trump noch weitere Bande, dürfte es aber zumindest für einige Branchen in Deutschland - wie etwa die Maschinenbauer - zunächst einmal schmerzhaft werden.

Könnte eine US-Abschottung auch Vorteile für Europa bringen?

Ja. „Brüssel muss die Prinzipien des Freihandels stärken und sich Protektionismus à la Trump entschieden entgegenstellen“, sagt etwa der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther. Trump unterzeichnete nun bereits einen entsprechenden Erlass, das transpazifische Handelsabkommen TPP aufzukündigen. Es war von 12 Staaten einschließlich der USA unterzeichnet worden, aber noch nicht in Kraft getreten. Der Blick der EU-Kommission richtet sich daher jetzt vor allem nach Asien.

Die Brüsseler Behörde geht davon aus, dass bis 2050 die Mittelklasse weltweit um Millionen Menschen wachsen wird - mit entsprechender Nachfrage nach hochwertigeren Produkten aus Europa. Länder wie etwa Vietnam, Malaysia oder Indonesien stehen hier vor allem im Fokus. Und auch dem bereits an TPP beteiligten Japan könnte eine noch wichtigere Rolle zukommen. Schon jetzt ist es nach China der wichtigste EU-Handelspartner in Asien. Ziehen sich die USA handelspolitisch aus dieser Region zurück, könnte Europa hier in eine Lücke stoßen.