Analyse Trumps Treueschwur: Haltbarkeit unklar

München (dpa) - US-Vizepräsident Mike Pence macht gleich zu Beginn seiner Rede klar, in wessen Auftrag er nach München gekommen ist. „Ich bringe Grüße vom 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika“, sagt er.

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Applaus bekommt er dafür von den mehreren hundert Zuhörern im Bayerischen Hof erst einmal nicht. Das Publikum ist hochrangig: Bundeskanzlerin Angela Merkel sitzt in der ersten Reihe. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, dutzende Minister, Staats- und Regierungschefs - sie alle sind zur Sicherheitskonferenz gekommen, um Antworten auf eine Frage zu bekommen: Was will Donald Trump?

Der US-Präsident hat bei den europäischen Verbündeten in den ersten vier Wochen seiner Amtszeit Verunsicherung, Befürchtungen, sogar Ängste ausgelöst wie keiner seiner Vorgänger. Pence ist nun ganz offensichtlich mit einem klaren Auftrag angereist: Beschwichtigung. „Heute versichere ich Ihnen im Namen von Präsident Trump: Die Vereinigten Staaten von Amerika stehen fest zur Nato und werden unerschütterlich unsere Verpflichtungen für unsere transatlantische Allianz erfüllen.“

Das ist das, was das hochrangige Publikum hören will. Und das auch: „Wir waren uns treu über Generationen. Und so wie sie uns die Treue halten, werden auch wir ihnen unter Präsident Trump immer treu sein.“ Und dann setzt er noch einen drauf: „Das ist Präsident Trumps Versprechen: Wir werden zu Europa stehen, heute und jeden Tag, weil uns dieselben edelen Ideale zusammenschweißen: Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit, Rechtsstaatlichkeit.“

Das sind deutliche Worte - aber eben auch erst einmal nicht mehr als Worte. Trump hat in den vergangenen Wochen Richter beschimpft, Journalisten beleidigt, Verständnis für Folter gezeigt, unschuldigen Menschen die Einreise verwehrt. Mit den Begriffen Freiheit und Rechtsstaatlichkeit passt das aus Sicht der meisten Europäer nicht zusammen.

Pence spricht von „gemeinsamen Werten“ und steigt dafür tief in die Geschichte ein, wird persönlich. Vor 30 Jahren habe er am Checkpoint Charlie im geteilten Berlin gestanden und begriffen, was der Unterschied zwischen Freiheit und Tyrannei sei, erzählt er. Zwei Wochen nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA sei er in die inzwischen vereinigte Stadt zurückgekehrt und könne sich genau an die Solidaritätsbekundungen vor der US-Botschaft erinnern. „Eine Mauer aus Blumen, zehn Fuß hoch“, sagt er. Beide persönlichen Erinnerungen stehen für ihn beispielhaft für die Stärke der transatlantischen Beziehungen.

Einen großen Teil der Rede hätten so ähnlich auch Ex-Präsident Barack Obama oder Angela Merkel halten können. Der US-Vize hat aber nicht nur Freundlichkeiten mit nach Europa gebracht, sondern stellt auch Ansprüche - altbekannte Ansprüche. Er fordert die Bündnispartner auf, endlich das Versprechen einzuhalten, bis 2024 zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung auszugeben. „Der Präsident der Vereinigten Staaten erwartet von den Bündnispartnern, dass sie zu ihrem Wort stehen.“ Allerdings wiederholt Pence nicht die Drohung von Verteidigungsminister James Mattis vor wenigen Tagen, die USA könnten ihr Engagement in der Nato andernfalls zurückfahren.

Hauptadressatin der Forderung ist Merkel. Deutschland ist das wirtschaftsstärkste europäische Nato-Mitglied, gibt aber nur 1,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung aus. Merkel antwortet bei ihrem Auftritt in München mit einem Widerspruch. „Wir fühlen uns diesem Ziel verpflichtet“, sagt sie zwar. Zugleich gesteht sie ein, dass der deutsche Verteidigungsetat pro Jahr höchstens um acht Prozent wachsen könne. Das reicht bei weitem nicht aus, um bis 2024 auf zwei Prozent des BIP zu kommen.

Auf scharfe Kritik an der Regierung Trump verzichtet die CDU-Chefin. Das hatte am Freitag schon Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) in ihrer Eröffnungsrede für sie erledigt.

Einen gemeinsamen Auftritt von Merkel und Pence auf dem Podium gibt es nicht. Die Freundschaft hat dann doch ihre Grenzen. Auch alleine will sich Pence den Fragen des Publikums nicht stellen - so wie auch US-Verteidigungsminister Mattis zuvor. Und Pressekonferenzen geben Trumps Leute auf ihren Europa-Reisen ohnehin nicht. Vielleicht auch ein Zeichen dafür, dass sie auf Fragen zu den zahlreichen Widersprüchen in Trumps Außenpolitik noch keine Antworten haben.

Die erste Reaktion aus der Bundesregierung auf Pence war einigermaßen positiv. „Das war eine sehr emotional angesetzte Rede und eine Rede, die Europa gefördert und gefordert hat“, sagte Innenminister Thomas de Maizière. Pence habe sich klar zur Nato bekannt, aber damit auch Anforderungen verbunden, „dass Europa eben erwachsener und verantwortlicher werden muss“.