Unwetterexperte: Tornados lassen sich nicht vorhersehen

Bochum (dpa) - Die Tornado-Warnung kam nur eine Viertelstunde, bevor das Unwetter über einen Vorort der US-Stadt Oklahoma City hinwegfegte. Viele Menschen starben. Frühere und präzisere Warnungen sind bei diesem Wetterphänomen jedoch nicht möglich.

Das sagte Tornado-Experte Thomas Sävert von der Unwetterzentrale des Wetterdienstleisters Meteomedia in Bochum in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa. Meistens bleiben nur Minuten.

Herr Sävert, wie entstehen eigentlich Tornados?

Sävert: „Ganz genau weiß man das trotz der Forschung nicht. Wir kennen aber ein paar Zutaten: Es braucht feuchte Luft sowie einen großen Temperaturunterschied zwischen der bodennahen Luft und der Luft in großer Höhe. Wenn in der aufsteigenden Feuchtluft dann ein besonders langlebiges, kräftiges Gewitter entsteht und der Wind in großer Höhe seine Richtung wechselt und diese Gewitterzelle zum Rotieren bringt, kann das Grundlage für einen Tornado sein. Also für einen sich drehenden Luftwirbel, der von der Unterkante der Wolken bis zum Boden reicht.“

Was hat den Tornado in Oklahoma so zerstörerisch gemacht?

Sävert: „Er war ungewöhnlich stark, und er war vor allem sehr breit. Meistens sind Tornados zwischen 20 und wenigen hundert Metern breit. Dieser hier hatte stellenweise einen Durchmesser von bis zu drei Kilometern. In dieser Heftigkeit und Breite treten Tornados selten auf. Sogenannte „Stormchaser“ - Sturmjäger, die Gewitterzellen beobachten und den Stürmen hinterherreisen, um die Wetterdienste mit Informationen zu versorgen - hatten den Sturm dabei sogar etwa dreißig Minuten zuvor bemerkt. Diese Vorwarnzeit ist viel für einen Tornado: Häufig bleiben nur Minuten.“

Das klingt trotzdem sehr wenig. Bei anderen Unwettern, wie etwa dem verheerenden Hurricane „Sandy“, wussten Anwohner Tage zuvor, dass da etwas auf sie zukommt. Wieso konnten sich die Bewohner nicht vorbereiten?

Sävert: „Ein Tornado kann binnen weniger Minuten entstehen und ist auf Radar- und Satellitenbildern nicht sichtbar. Einen entstehenden Hurrikan dagegen können Meteorologen oft schon Tage vorher erkennen und seinen ungefähren Verlauf bestimmen. Bei Tornados ist das sehr viel schwieriger. Zwar kann man die Wetterlage vorhersehen, die Tornados begünstigt. Aber ob eine Gewitterzelle einen Tornado hervorbringt oder nicht, lässt sich - wenn überhaupt - nur Minuten zuvor sehen. Hinzukommt: Weil aufgrund des felsigen Untergrundes in Oklahoma nur wenige Häuser unterkellert sind und viele Menschen keinen kostspieligen Schutzkeller haben, können sich die Menschen trotz Warnungen nur schwer in Sicherheit bringen. Schlechte Bauweise ist auch nur bedingt schuld: So ein Tornado hätte auch bei uns ähnliche Verwüstung hervorgerufen.“

Kann denn eine solche Tragödie auch uns hier in Deutschland treffen?

Sävert: „Definitiv ja. Tornados können bei uns in gleicher Stärke vorkommen wie in den USA. Die meisten - hier wie dort - sind allerdings schwach und wir hören überhaupt nichts darüber. Aber: Im Schnitt gibt es in Deutschland in jedem Jahr einen Toten durch einen Tornado und Schäden, die weit in die Millionen gehen. Dabei sind Tornados keineswegs häufiger geworden. Wir hören nur öfter über sie, weil mehr berichtet wird. Zwar werden in den vergangenen zehn Jahren immer häufiger Tornados gemeldet - das ist aber nicht darauf zurückzuführen, dass es sie häufiger gibt, sondern dass sie häufiger registriert werden.“