Verzicht auf Atomstrom in fünf Jahren möglich
Wörrstadt (dpa) - Ganz weg vom Atomstrom und hin zu den erneuerbaren Energien: Ein solcher Wechsel der „Stromquellen“ wäre in Deutschland nach Einschätzung des Energieexperten Matthias Willenbacher innerhalb von fünf Jahren möglich.
Voraussetzung sei aber, dass die Länder Hessen, Bayern und Baden-Württemberg ihren Widerstand gegen Windkraftanlagen aufgeben, sagte der Vorstand des auf erneuerbare Energien spezialisierten Projektentwicklers juwi (Wörrstadt/Rheinland-Pfalz) im dpa-Interview. Dass der Verbraucher dann mehr für den Strom bezahlen müsste, glaubt Willenbacher, der auch Vorstand des Bundesverbandes Solarwirtschaft ist, nicht.
Wie schnell ist es möglich, vom Atom ganz auf erneuerbare Energien umzusteigen?
Willenbacher: „Es gab ja schon mal ein Ausstiegsszenario, und danach wäre es unter normalen Förderbedingungen kein Problem gewesen, das, was bei der Atomkraft wegfällt, in den nächsten zehn Jahren durch Erneuerbare zu ersetzen. Aber es könnte noch deutlich schneller gehen. Denn bisher haben die Länder mit Atomkraftwerken - vor allem in Süddeutschland - den Windkraftausbau auf dem Land verhindert. Wenn Baden-Württemberg, Bayern und Hessen jetzt sagen würden: Ja, wir wollen an guten Standorten, zum Beispiel auch im Wald, Windkraftanlagen zulassen - dann könnten wir in den nächsten fünf Jahren tatsächlich mit erneuerbaren Energien den Atomstromanteil ersetzen.“
Ein Problem bei erneuerbaren Energie ist ja bislang auch die Speicherung der Energie. Sehen Sie da irgendwelche neuen Konzepte?
Willenbacher: „Es gibt mehrere Ansätze. Der erste ist, dass wir tatsächlich nicht nur an einer Stelle die erneuerbaren Energien erzeugen. Bislang haben wir im Süden Solarenergie und in Norddeutschland Windenergie. Wenn wir das gleichmäßiger verteilen, haben wir eine deutlich gleichmäßigere Erzeugung von Wind- und Solarstrom. Außerdem arbeiten wir an einem Projekt, bei dem wir Windstrom in Windgas verwandeln. Das heißt: Wir wandeln Windstrom in Erdgas um, das wir jederzeit in kleineren Blockheizkraftwerken, aber auch in Großkraftwerken wieder in Strom und Wärme umwandeln können.“
Ist das eine neue Technologie?
Willenbacher: „Das ist eigentlich keine echte neue Technologie. Denn man kann schon seit langem aus Windstrom Wasserstoff herstellen. Und es ist ganz einfach, aus diesem Wasserstoff durch Zugabe von CO2 Erdgas herzustellen. Nur wird es eben noch nicht gemacht, weil es bislang noch keine Anwendung dafür gab. Am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung in Stuttgart ist ein Prototyp erforscht worden. Den holen wir jetzt in unseren Windpark in Morbach, wo das Projekt am Montag vorgestellt wird.“
Vermutlich müssten die Erneuerbaren ja auch bei einem Atomausstieg noch gefördert werden. Ist das eine Ihrer Forderungen, dass der Staat da wieder was drauflegt?
Willenbacher: „Ganz im Gegenteil. Wenn wir Wind und Sonne bundesweit an den richtig guten Standorten nutzen können - gerade im Windbereich - dann können wir das günstiger tun als bisher. Wir brauchen nur stabile Rahmenbedingungen - und dass Bayern, Hessen und Baden-Württemberg ihre Blockadehaltung gegen Windkraftanlagen aufgeben.“
Die Kosten für die Energie aus den Erneuerbaren müssten aber wahrscheinlich steigen, oder?
Willenbacher: „Ich gehe nicht davon aus. Wenn wir das gleichmäßig machen, sparen wir auf der anderen Seite Importkosten für Kohle und so weiter. Der Strompreis für den Haushalt setzt sich ja aus vielen Komponenten zusammen, nicht nur aus der Erzeugung. Die Erzeugerpreise steigen zwar ein Stück weit, aber wir sparen viele andere Kosten, zum Beispiel für den Stromtransport. Wenn man es geschickt macht, kann es am Ende sogar günstiger werden für den Endverbraucher.“