Viel Widerstand in Europa gegen Merkels Flüchtlingspolitik
Brüssel/Prag (dpa) - Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei suchen zur Abschottung der Flüchtlingsroute über den Balkan den Schulterschluss mit dem Nicht-EU-Mitglied Mazedonien.
Mit einem Treffen in Prag untermauerten die vier Länder zugleich ihren Widerstand gegen den Kurs von Kanzlerin Angela Merkel. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn warnte die vier Länder der sogenannten Visegrad-Gruppe davor, in der Flüchtlingskrise zu einem „Verein der Abtrünnigen“ zu werden.
Falls Griechenland und die Türkei den Zustrom nicht begrenzen könnten, bestehe die Möglichkeit, „die illegale Wirtschaftsmigration an den Grenzen von Mazedonien und Bulgarien aufzuhalten“, sagte der tschechische Ministerpräsident Bohuslav Sobotka vor dem Treffen in Prag.
Griechenland, wo seit dem Sommer Hunderttausende Flüchtlinge angelandet sind, ist nicht beteiligt. Athen befürchtet nun, dass Mazedonien seine Grenze bald schließen könnte, so dass die meisten Flüchtlinge in Griechenland bleiben würden.
Luxemburgs Außenminister Asselborn wies am Rande eines EU-Außenministertreffens in Brüssel darauf hin, dass die Visegrad-Länder in der Vergangenheit selbst viel Solidarität erfahren hätten. Sollten sie sich nun in der Flüchtlingskrise abschotten, werde es in Brüssel sehr schnell eine Debatte darüber geben, dass alle, die Solidarität erfahren, auch Solidarität zurückgeben müssten. Deutschland ist der größte Nettozahler in der EU. Länder wie Polen und Ungarn gehören hingegen zu den größten Nettoempfängern von EU-Geldern.
Die Länder der vor 25 Jahren gegründeten Visagrad-Gruppe wehren sich gegen Umverteilungspläne und lehnen es wie auch andere EU-Staaten ab, Flüchtlinge in nennenswerter Zahl aufzunehmen. Kanzlerin Merkel will erreichen, dass zumindest mittelfristig ein Teil der in der Türkei ankommenden Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien auf EU-Staaten verteilt wird.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte in Brüssel, Griechenland über eine Abschottung der Balkanroute ins Abseits zu stellen, werde nicht funktionieren. „Wir können nicht formell oder informell die Grenzen der Europäischen Union neu ziehen. Griechenland ist ein Mitgliedstaat.“
Dem Eindruck eines deutsch-französischen Konflikts in der Flüchtlingsfrage trat Regierungssprecher Steffen Seibert entgegen. Premierminister Manuel Valls hatte am Wochenende betont, Frankreich habe versprochen, 30 000 dieser 160 000 Flüchtlinge aufzunehmen, keinesfalls aber mehr. Dazu sagte Seibert: „Es herrscht große Übereinstimmung zwischen Frankreich und Deutschland.“ Er begrüßte, dass Frankreich damit zu seinen Verpflichtungen stehe.
Die EU sagte Mazedonien zehn Millionen Euro zu. Die Unterstützung solle nicht zum Bau eines Zaunes beitragen, teilte die EU-Kommission am Montag mit. Es gehe darum, Grenzen zu kontrollieren, nicht, sie zu schließen.
EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) setzt ungeachtet skeptischer Signale mehrerer Partnerländer auf einen Durchbruch für ein europäisches Vorgehen beim EU-Gipfel. „Ich glaube, dass es wichtige Bausteine am Donnerstag geben wird“, sagte er. Wesentliche Punkte würden zwischen Kanzlerin Merkel und der Kommission „exakt abgestimmt“. Wichtigste anstehende Schritte seien Geld zur Unterbringung von Flüchtlingen in ihrer Nachbarschaft und eine EU-Grenzschutzpolizei, die den Namen verdiene.
Der CDU-Vorstand beschloss ein Konzept, das mehr verpflichtende Vorgaben für die Integration länger in Deutschland bleibender Flüchtlinge vorsieht. Nach dem Prinzip „Fördern und Fordern“ verlangt die CDU unter anderem die Kürzung von Sozialleistungen, wenn Integrations- und Sprachkurse oder zumutbare Arbeitsgelegenheiten nicht angenommen werden.
Die CSU, die sich seit längerem auf Konfrontationskurs zur Kanzlerin befindet, will ihr weiteres Vorgehen von den Ergebnissen des EU-Gipfels abhängig machen. Nach dem Treffen würden er und die Kanzlerin für die Union miteinander reden und eine Zwischenbilanz ziehen, sagte CSU-Chef Horst Seehofer. „Wenn auf dem Gipfel keine wirksamen Beschlüsse erreicht werden, muss national gehandelt werden“, forderte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer.