Viele Mythen: Populäre Irrtümer um die „Titanic“
New York (dpa) - Kein Schiff ist wohl so berühmt wie die „Titanic“ - und bei kaum einem anderem gibt es so viele populäre Irrtümer. Der Dortmunder Professor Metin Tolan („Titanic: Mit Physik in den Untergang“) klärt einige auf:
Die „Titanic“ fuhr um das „Blaue Band“.
Stimmt nicht! Den Preis für die schnellste Atlantiküberquerung - das „Blaue Band“ - hielt die „Mauretania“. Mit ihr konnte es die „Titanic“ nicht aufnehmen. Mit 51 000 statt 78 000 PS war sie einen ganzen Tag langsamer. „Die "Titanic"-Eigner setzten auf Luxus“, sagt Tolan: „Die Fahrt sollte so angenehm sein, dass man gern etwas länger an Bord war.“
Die „Titanic“ fuhr viel zu weit nördlich.
Stimmt nicht! In der Tat gab es eine Winter- und eine Sommerroute. Letztere war kürzer, aber weiter nördlich und so möglichen Eisbergen näher. Die „Titanic“ fuhr aber auf der südlichen Winterlinie - und nach einer Eiswarnung sogar noch etwas weiter südlich als üblich.
Die „Titanic“ war aus schlechtem Stahl.
Stimmt nicht! Die „Titanic“ war für die Gäste überaus luxuriös, für die Besatzung überaus modern. Tolan: „Der Stahl war genau so gut oder schlecht wie der für jedes andere Schiff der damaligen Zeit.“
Der vierte Schornstein der „Titanic“ war nur Attrappe.
Stimmt! Der hinterste Schornstein war dazugesetzt worden, weil ein so großes Schiff in den Augen der Zeitgenossen einfach vier Schornsteine haben musste. Ausschließlich Show war er aber nicht, er diente immerhin der Entlüftung.
Die „Titanic“ wurde vom Eisberg Dutzende Meter aufgeschlitzt.
Stimmt nicht! „Wenn man mit einem Eiszapfen am Auto entlangfährt, entstehen Kratzer, aber kein Loch. Nicht einmal eine Beule. Eis ist viel zu weich“, sagt Tolan. Es gab kein großes Leck, sondern viele kleine, die sich auf 30 Meter über mehrere Abteilungen des Schiffs verteilten. Dort wurden die zusammengenieteten Stahlplatten aufgedrückt. Die Lecks in der „Titanic“ waren gerade einmal einen Quadratmeter groß - nicht viel mehr als eine aufgeschlagene Zeitung.
Es waren viel weniger Rettungsboote als vorgeschrieben an Bord.
Stimmt nicht! „Es waren sogar mehr an Bord“, sagt Tolan. Dennoch waren es zu wenige, um jedem Menschen einen Platz zu bieten. Die damaligen Vorschriften seien angesichts so vieler Passagiere veraltet gewesen.
Es wurden vor allem Passagiere der Ersten Klasse gerettet.
Stimmt nicht! „Es wurden vor allem Frauen und Kinder gerettet, egal aus welchen Klassen. Bei den Männern der Ersten ist zwar die Überlebensquote höher als bei der Dritten Klasse, aber das hatte ganz andere Gründe: Sie waren weiter oben, waren gebildet und sprachen Englisch.“ Bevor die Menschen unter Deck begriffen, was los war, war es für einige zu spät. „Aber von einer bewussten Bevorzugung der höheren Klassen zu sprechen, ist einfach Unsinn. Denn mit nur acht Prozent überlebten am wenigsten Männer der Zweiten Klasse. Selbst in der Dritten überlebten mit 16 Prozent doppelt so viele.“
Die „Titanic“ ist auseinandergebrochen.
Stimmt! „Physikalisch konnte sie auch gar nicht anders. Im Bug waren nach zwei Stunden 40 000 Tonnen Wasser, das ganze Heck wog aber immerhin auch 10 000 Tonnen. Deshalb riss sie in der Mitte auseinander. Für solch eine Belastung war das Schiff nicht gebaut.“ Dennoch sank die „Titanic“ „vorbildlich“ über den Bug: „Wäre sie gekentert, hätten viel weniger Menschen gerettet werden können.“
Der Sog des untergehenden Riesen drohte Menschen mitzureißen.
Stimmt nicht! „Das Schiff ist langsam vollgelaufen. Da kann kein Sog entstehen“, sagt Physiker Tolan. „Hätte man die "Titanic" von einem Zehn-Meter-Brett geworfen, hätte es einen gewaltigen Sog gegeben. Aber das Schiff lief langsam voll, versank langsam und konnte so keinen Sog erzeugen.“
Die „Titanic“ hätte gerettet werden können.
Stimmt wohl! Zumindest theoretisch. Hätte der Erste Offizier William Murdoch den Befehl gegeben, den Eisberg frontal zu rammen, wären nur zwei bis drei Abteilungen überflutet worden und die Titanic wohl nicht gesunken. Allerdings wäre dies ein sehr ungewöhnlicher Befehl gewesen.