Wachsende Skepsis gegenüber „Patriot“-Einsatz in der Türkei

Tunis/Berlin (dpa) - Probleme gab es beim deutschen „Patriot“-Einsatz in der Türkei schon ganz zu Anfang. In der Hafenstadt Iskenderun wurden deutsche Soldaten kurz nach ihrer Ankunft von Gegnern des Einsatzes zur Raketenabwehr attackiert.

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Dann gab es reihenweise Beschwerden über das Kasernengelände, auf dem die Bundeswehrtruppe stationiert wurde: verdreckte Toiletten, verspätete Feldpost, herumliegende Hundekadaver. Der Wehrbeauftragte verfasste einen langen Bericht. Das war Anfang 2013.

Der Einsatz galt trotz aller Widrigkeiten als Selbstverständlichkeit. Die Türkei hatte die Nato um die Stationierung der Raktenabwehrstaffeln zum Schutz vor Angriffen aus Syrien gebeten. Drei Länder kamen der Bitte nach: die USA, die Niederlands und Deutschland. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sprach bei ihrem Truppenbesuch in der Türkei im vergangenen Jahr von einem „leuchtenden Beispiel der Bündnissolidarität“.

Jetzt droht die Stimmung aber zu kippen. Auch in der Koalition wird der Einsatz in Frage gestellt. Dafür gibt es mehrere Gründe.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat den Friedensprozess mit der kurdischen Arbeiterpartei PKK trotz aller Mahnungen der Nato-Partner aufgekündigt - und das auch noch genau in dem Moment, als der Nato-Rat in Brüssel auf Antrag der Türkei zusammenkam. So etwas kann auch als Affront aufgefasst werden.

Der CSU-Verteidigungspolitiker Florian Hahn hält das türkische Vorgehen gegen die PKK für ein rein innenpolitisches Manöver und befürchtet eine Instrumentalisierung der Nato. „Vor diesem Hintergrund sollten Deutschland und die Nato gut überlegen, ob wir uns vor den innenpolitischen Karren von Präsident Erdogan spannen lassen wollen“, sagte er der „Welt“.

Es gibt auch Befürchtungen, dass neben türkischen Soldaten deren Nato-Bündnispartner zu Anschlagszielen der PKK werden könnten. Die 260 „Patriot“-Soldaten der Bundeswehr sind in einer türkischen Kaserne stationiert. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sieht derzeit zwar keine akute Gefahr. Sie hat aber angekündigt, dass die Lage nun „sehr sorgfältig“ beobachtet werde. Die Sicherheit der Soldaten müsse „absolute Priorität“ haben, betonte sie auf ihrer Afrika-Reise.

Unabhängig von der Sicherheitslage und dem Agieren der türkischen Regierung wird längst die Frage gestellt, ob der Einsatz überhaupt noch Sinn hat. Die „Patriots“ sind für die Abwehr von Angriffen mit Raketen und Kampfjets da, über die auf syrischer Seite nur die Regierungstruppen von Präsident Baschar al-Assad verfügen. Gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) können sie nichts ausrichten.

Daneben gibt es dann auch noch praktische Gründe, die die Skepsis gegenüber dem „Patriot“-Einsatz wachsen lassen. Ein Einsatz über mehrere Jahre ist für die begrenzte Anzahl Raketenabwehr-Spezialisten der Bundeswehr nur schwer verkraftbar. Im vergangenen September musste das Verteidigungsministerium einräumen, dass bei gut einem Viertel (28 Prozent) der seit Anfang 2013 eingesetzten Soldaten die Karenzzeit von 20 Monaten zwischen zwei vier- bis sechsmonatigen Einsätzen nicht eingehalten werden konnte.

Der damalige Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus mahnte, dass eine Verlängerung des Einsatzes den Soldaten nur noch „mit großem argumentativen Aufwand“ zu erklären sei. Während die Niederländer sich in der Türkei von den Spaniern ablösen ließen, stimmte der Bundestag im Januar trotzdem einer Verlängerung um ein Jahr zu. Die nächste Abstimmung steht im Januar nächsten Jahres an. Dann wird der argumentative Aufwand für eine Fortsetzung des Einsatzes wohl noch größer sein.