Ein Jahr bis zur Wahl Was geht noch?

Berlin (dpa) - Noch sind sie nicht im Wahlkampfmodus. Zumindest nicht richtig. „Das beste Mittel gegen schlechte Stimmung im Land ist eine Regierung, die klare und gute Entscheidungen trifft“, sagt SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann im Reichstagsgebäude.

Da ist er mit seinen Unionskollegen Volker Kauder (CDU) und Gerda Hasselfeldt (CSU) gerade aus dem Kanzleramt herübergekommen, wo die große Koalition wieder einmal in größerer Spitzenrunde getagt hat. Um abzustecken, was noch geht, bevor Kompromisse in der Sache im Bundestagswahljahr 2017 immer schwieriger werden.

Nach mehr als vier Stunden bei Linseneintopf und Kuchen überlassen es Kanzlerin Angela Merkel (CDU), SPD-Chef Sigmar Gabriel und CSU-Chef Horst Seehofer ihren Fraktionsführern, erste Botschaften zu senden. Von „sehr guter Atmosphäre“ berichtet Kauder. „Angenehm“ und „lösungsorientiert“, bilanziert Hasselfeldt. Und Oppermann macht klar: „Wir wollen jetzt noch nicht Wahlkampf machen. Wir haben noch knapp zwölf Monate zu regieren, und die wollen wir nutzen.“

Auf dem Tisch liegt auch noch eine Palette strittiger Themen - vom Dauerbrenner Rente über unerledigte Projekte des Koalitionsvertrags bis zu neuen Vorschlägen zur Inneren Sicherheit. Im Kanzleramt sprechen die Koalitionäre aber erst einmal fast eine Stunde über die bedrückende Lage in Syrien, über die Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) informiert. Für weitreichende Beschlüsse zu mehreren sehr komplexen Feldern ist ohnehin zu wenig Zeit. Bei einigen gibt es nun aber immerhin schwarz-rote Fahrpläne.

RENTE: Beim großen Thema Rente dreht sich die Diskussion gleich um mehrere Facetten. So will Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) die Ostrenten bis 2020 aufs volle Westniveau heben. Das soll allein in den ersten vier Jahren rund elf Milliarden Euro kosten - doch woher kommt das Geld? Eine neue Lebensleistungsrente soll kleine Renten aufwerten und besser vor Altersarmut schützen. Die CSU will auch die Mütterrenten nochmals aufbessern. Nun wurde beschlossen, binnen drei Wochen zu klären, was davon vor der Wahl noch angepackt wird.

LOHNGLEICHHEIT: Die Pläne von Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) für mehr Lohngleichheit von Frauen und Männern steckten lange fest. Nun gibt es nun einen „Durchbruch“, wie Oppermann freudig verkündet. Bei Unternehmen ab 200 Beschäftigten sollen Arbeitnehmer Informationen beanspruchen können, ob sie gerecht bezahlt werden. Bei tarifgebundenen Firmen soll das über den Betriebsrat laufen. Firmen ab 500 Mitarbeitern sollen neue Verfahren zur Herstellung der Entgeltgleichheit umsetzen. Die Union verbucht für sich, „Schlimmeres“ und mehr Bürokratie verhindert zu haben.

INNERE SICHERHEIT: Nach den jüngsten Terroranschlägen in Bayern hat Innenminister Thomas de Maizière (CDU) ein „Sicherheitspaket“ vorgelegt. Dabei geht es um mehr Personal für Sicherheitsbehörden, mehr Videoüberwachung, mehr Härte gegen Gefährder und manche Flüchtlinge, die etwa falsche Angaben zu ihrer Identität machen. Kauder kündigt nun auch abschreckendere Strafen für Einbrecher an. Übergriffen auf Polizei, Feuerwehr oder Retter im Einsatz soll ein Riegel vorgeschoben werden. Konkrete Umsetzung: soll folgen.

VERSCHIEDENES: Daneben gibt es nun zumindest grobe Absprachen bei einigen anderen Themen. Spätestens im Januar soll die Abschaffung des „Majestätsbeleidigungs“-Paragrafen ins Kabinett. Das wollen seit dem Wirbel um das Schmähgedicht des Moderators Jan Böhmermann über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan Union wie SPD. Offen ist nach wie vor eine Top-Personalie: Wer könnte auf den scheidenden Bundespräsidenten Joachim Gauck folgen? „Daran haben wir immer gedacht“, sagt Oppermann trocken. „Aber zu keinem Zeitpunkt darüber gesprochen.“